HDP-Chefin Yüksekdag verliert Parlamentssitz
Berufungsgericht bestätigte Urteil gegen Ko-Vorsitzende der linken türkischen Partei
Istanbul. Die inhaftierte Ko-Vorsitzende der prokurdischen Oppositionspartei HDP, Figen Yüksekdag, hat ihren Sitz im türkischen Parlament verloren. Das berichteten am Dienstag übereinstimmend die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu und die private Nachrichtenagentur DHA. Grundlage ist demnach ein Gerichtsurteil, das nun von einem Berufungsgericht bestätigt wurde.
Yüksekdag, der HDP-Ko-Vorsitzende Selahattin Demirtas sowie zehn weitere Abgeordnete der zweitgrößten Oppositionspartei sitzen in Untersuchungshaft. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wirft der HDP vor, der verlängerte Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein. Die HDP weist den Vorwurf zurück. Yüksekdag (45) war Abgeordnete aus der osttürkischen Provinz Van.
Die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) hatte erst am Montag den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wegen der »rechtswidrigen Inhaftierung« ihrer beiden Vorsitzenden Demirtas und Yüksekdag angerufen. Eine Delegation unter Leitung des stellvertretenden Parteivorsitzenden Saruhan Oluc reichte am Montag einen Antrag bei dem Gericht in Straßburg ein.
Demirtas und Yüksekdag waren Anfang November zusammen mit weiteren Abgeordneten der drittgrößten türkischen Oppositionspartei unter dem Vorwurf festgenommen worden, Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu unterhalten. Die HDP sieht in der anhaltenden Inhaftierung der Parteichefs eine Verletzung wichtiger Grundrechte, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbrieft sind.
Die HDP erklärte, sie wende sich an das europäische Tribunal, da das türkische Verfassungsgericht seit 95 Tagen versäumt habe, Ermittlungen in dem Fall aufzunehmen. Gemäß den Regeln des EGMR ist es nur zuständig, wenn der nationale Rechtsweg ausgeschöpft wurde. Menschenrechtler fordern aber seit Monaten, dass das Gericht auch Fälle aus der Türkei annimmt, die noch nicht vom Verfassungsgericht behandelt wurden.
Die HDP rief das Tribunal auf, »seine eigenen rechtlichen Präzedenzfälle und die universellen Prinzipien der Herrschaft des Rechts anzuwenden«. Die Partei erinnerte daran, dass seit der Parlamentswahl im Juni 2015, bei der die HDP erstmals ins Parlament gekommen war, fast 9800 Menschen bei Aktionen gegen die HDP und ihre Schwesterpartei DBP festgenommen und gut 2900 Menschen inhaftiert wurden.
In den vergangenen Wochen hatten wiederholt deutsche und europäische Delegationen versucht, Demirtas im Gefängnis zu besuchen, jedoch war ihnen die Erlaubnis verweigert worden. Agenturen/nd
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