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Odebrecht baut 
wie geschmiert

Der Korruptionsskandal um den Baukonzern 
zieht in Lateinamerika immer weitere Kreise

  • Thilo F. Papacek
  • Lesedauer: 6 Min.

Leviathan - das biblische Monster aus den Tiefen des Meeres: Einen besseren Namen für die Untersuchungsoperation hätten sich die Ermittler kaum ausdenken können. Vergangenen Donnerstag begann die brasilianische Bundespolizei wieder einmal, Büros und Privatwohnungen von Politikern wegen eines Korruptionsvorwurfs zu untersuchen. Diesmal ging es um Schmiergeldzahlungen des brasilianischen Baukonzerns Odebrecht im Zusammenhang mit dem Bau des umstrittenen Projektes Belo Monte. Das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt am Xingu-Fluss in Amazonien wird von vielen Kritikern als Belo Monstro - »Schönes Monster« - bezeichnet. Und tatsächlich liegt das Bauwerk wie ein gestrandetes Meeresungeheuer im Flusslauf.

Nach Aussagen der Ermittler sind ein Prozent der 8,5 Milliarden US-Dollar Gesamtkosten des Baus in die Kassen von Parteien geflossen. In den Medien wird vermutet, dass es um die Mitte-Rechts-Partei PMDB und die linke Arbeiterpartei PT geht. Der PMDB gehört der aktuelle Präsident Michel Temer an, der auch schon an der Vorgängerregierung der PT als Vizepräsident beteiligt war.

Die Operation »Leviathan« ist die jüngste Untersuchungsmaßnahme, die aus der Operation »Lava Jato« - deutsch für »Autowaschanlage« - erwachsen ist. »Lava Jato« begann vor knapp drei Jahren und brachte schon einigen Politikern massive Probleme. Die öffentlichkeitswirksamen Ermittlungen trugen auch zur umstrittenen Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Roussef im vergangenen Jahr bei, obwohl ihr bislang keine Beteiligung an den kriminellen Machenschaften nachgewiesen werden konnte.

Zunächst ging es bei »Lava Jato« nur um die Veruntreuung von Geldern des staatlichen Erdölkonzern Petrobras für die Wahlkampfkassen von Parteien. Doch je weiter die Ermittler bohrten, desto mehr kam zum Vorschein. Schnell ging es auch um den Baukonzern Odebrecht, bald zog der Skandal internationale Kreise.

Da die Schmiergeldzahlungen auch über die Schweiz und die USA liefen, klagten die beiden Länder vor einem New Yorker Gericht gegen Odebrecht. Im vergangenen Dezember willigte das Unternehmen in Strafzahlungen von 3,5 Milliarden Dollar ein, der höchsten Summe, die je in solch einem Fall gezahlt wurde. Odebrecht hatte vor dem Gericht zugegeben, etwa 788 Millionen US-Dollar Schmiergeld in zwölf Ländern Lateinamerikas und Afrikas gezahlt zu haben, um an Aufträge zu kommen.. Seitdem kommt der Kontinent nicht mehr zur Ruhe.

In Venezuela fror am vergangenen Donnerstag die Justiz die Konten von Odebrecht ein, am Mittwoch hatten Militärs die Büroräume des Unternehmens durchsucht. Auch in der Dominikanischen Republik wurden die Büroräume Odebrechts durchsucht. Der ehemalige Vizeminister für Transportwesen Kolumbiens, Gabriel García Morales, wurde verhaftet, weil er Schmiergelder entgegen genommen haben soll.

Der derzeit spektakulärste Fall des Skandals liegt sicher in Peru. Alle Präsidenten, die von 2001 bis 2016 regiert haben, sollen vom Baukonzern bestochen worden sein. Gegen den Ex-Präsidenten Alejandro Toledo (2001-2006) ist ein internationaler Haftbefehl ausgesetzt, er soll für die Vergabe des Auftrags für den Bau der »Interozeanischen Straße Süd« zwischen Peru und Brasilien 20 Millionen Dollar von Odebrecht erhalten haben. Toledos derzeitiger Aufenthaltsort ist unbekannt.

Um das ganze Ausmaß des Skandals zu erfassen, wollen die Staatsanwaltschaften der betroffenen Länder nun zusammenarbeiten. Am Donnerstag vergangener Woche trafen sich in Brasília Generalstaatsanwälte aus 15 Ländern, mehrheitlich aus Lateinamerika und Afrika. Elf Staaten unterschrieben ein Abkommen, das unter anderem internationale Ermittlerteams vorsieht. Es ist die größte internationale juristische Kooperation in Lateinamerika, die je zu einem Korruptionsfall stattfand.

Die Kooperation wird wohl auch nötig werden, denn das komplizierte Netz von Odebrechts Zahlungen zu entflechten, wird eine schwierige Aufgabe. Es lief über mehrere Briefkastenfirmen und Banken in Steuerparadiesen, das Unternehmen ging so weit, für diesen Zweck eine Bank auf Antigua und Barbados aufzukaufen. Die panamaischen Behörden ermitteln in dem Zusammenhang auch gegen die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die schon im Falle der Panama Papers eine Hauptrolle spielte.

Als Hauptplaner dieses kriminellen Netzwerks wird der Firmenchef und Gründererbe angesehen, Marcelo Odebrecht. Im vergangenen Jahr ist er zu 19 Jahren Haft verurteilt worden, durch seine Kooperation mit der Justiz wird er seine Strafe vermutlich halbieren können. 77 Ex-Manager von Odebrecht haben im Rahmen von Kronzeugenregelungen ausgesagt.

Früher galt der Konzern als brasilianische Erfolgsgeschichte, der junge Ingenieure nacheiferten. Der Bauriese ist in 26 Ländern aktiv und hat etwa 128 000 Mitarbeiter. Doch offenbar basierte der Erfolg zu einem nicht unerheblichen Teil auf kriminellen Machenschaften.

Weil diese nun zu Tage kommen, sieht die Zukunft des Konzerns alles andere als rosig aus. Neben der in den USA vereinbarten Zahlung werden wohl noch 2,4 Milliarden US-Dollar Strafen in anderen Ländern auf den Konzern zukommen. Und das Unternehmen steht bereits mit etwa 21 Milliarden US-Dollar in der Kreide. Die Ratingagentur Finch wertete deshalb die Kreditwürdigkeit des Unternehmens im Januar ab auf »CC« - sehr risikoreich.

Doch vielleicht hat der Fall des Bauriesen positive Folgen für die Region. In einem Kommentar für die brasilianische Zeitung »Estadão« schrieb der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa am Sonntag ironisch, man müsse vielleicht in ein paar Jahren ein Denkmal für Odebrecht errichten: Schließlich hätten die Aussagen der Manager die so virulente Korruption in Lateinamerika zu Fall gebracht. Noch ist es zu früh zu urteilen, ob der Skandal wirklich zu tiefgreifenden politischen Veränderungen führt. Aber er zeigt deutlich, wie stark die lateinamerikanischen Demokratien von finanzstarken Privatinteressen untergraben sind.

Der peruanische Anthropologe und Amazonienexperte Alberto Chirif glaubt, dass viele Bauprojekte, an denen Odebrecht und geschmierte Politiker verdient haben, nur aufgrund der Korruption beschlossen wurden. Als Beispiel bringt er die »Interozeanische Straße des Südens« in Peru. Als 2005 der Bau begonnen wurde, hieß es, die Straße würde den Handel zwischen Brasilien und Peru beleben. Doch sechs Jahre nach der Eröffnung sieht die Realität anders aus: Kaum ein brasilianisches Unternehmen nutzt die schmale Straße, die mehr als 5000 Höhenmeter überwindet. Das Projekt war ein absoluter Fehlschlag. In einem Kommentar für das Nachrichtenportal »SERVINDI« schreibt Chirif, dass dies den politischen Entscheidungsträgern schon vorher klar gewesen sein muss. Sie hätten bewusst gelogen, weil sie von Odebrecht geschmiert wurden: »Das wirkliche Ziel, das mit der Straße erreicht werden sollte, war nur ihr Bau.«

Auch beim Kraftwerk Belo Monte, dem »schönen Monster«, mag eine ähnliche Motivation mitgespielt haben. Gegen den Komplex sind insgesamt 25 Klagen anhängig, zahlreiche Gesetze zum Schutz von indigenen Gemeinschaften und der Umwelt wurden missachtet. Doch das Projekt wurde immer wieder von der Exekutive mit dem Verweis auf »Nationale Interessen« gegen die Judikative durchgesetzt. Das Ausmaß der Schmiergeldzahlungen macht nun fraglich, in wessen Interesse die Regierung agierte: in dem der Bevölkerung oder in dem der Konzerne?

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