Hoffnung auf Ende der Baukrise

Gewerkschaft und Unternehmen erwarten Konjunkturbelebung

Rohbau für Eigentumswohnungen im Kölner Stadtteil Ehrenfeld
Rohbau für Eigentumswohnungen im Kölner Stadtteil Ehrenfeld

Bundesweit fehlen aktuell mehr als 550 000 Wohnungen. Laut einer am Donnerstag auf dem Wohnungsbautag in Berlin vorgestellten Studie leben 9,6 Millionen Menschen – und damit 11 Prozent der Bevölkerung – in überbelegten Wohnungen. Das seien 1,1 Millionen mehr als noch vor fünf Jahren. Ein Bündnis aus Gewerkschaft, Mieterbund und Unternehmensverbänden fordert daher von Bund und Ländern, den Bau von 100 000 neuen Sozialwohnungen mit jährlich 11 Milliarden Euro zu fördern.

Die Misere hat wirtschaftliche Folgen. »Das deutsche Baugewerbe beendete das erste Quartal noch fest im Schrumpfungsbereich«, schreibt die Hamburg Commercial Bank in einer Studie. Doch zumindest die Stimmung in der Branche scheint sich zu bessern: Außerhalb des Wohnungsbaus seien die erfassten Firmen so wenig pessimistisch wie seit über drei Jahren nicht mehr.

In diesem Zeitraum schlug die Wohnungsbaukrise auf den Arbeitsmarkt durch. Die Branche hat allein 2024 mehr als 10 000 Beschäftigte verloren. Jeder siebte Arbeitsplatz stehe mit dem Wohnungsbau in Verbindung, rechnet der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger, vor.

Hoffnung keimt nun durch den Koalitionsvertrag: »Schwarz-Rot setzt eine Konjunkturlokomotive in Gang«, meint Gewerkschafter Feiger. Mit den versprochenen Bau-Investitionen habe Deutschland die Chance auf ein »sich selbst tragendes Konjunkturpaket«.

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Wie andere Branchen sieht sich die Bauwirtschaft mit dem Vorwurf konfrontiert, die Inflation ausgenutzt und Preise über das notwendige Maß hinaus erhöht zu haben. Umsatzrendite und Eigenkapitalquote waren allerdings in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, geht aus einer Analyse des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands hervor. Als Grund werden die stark gestiegenen Material- und Energiepreise sowie Zinskosten und zuletzt auch die Löhne genannt. Diese waren nach zwei Jahren mit Reallohnverlusten 2024 in einer Bandbreite von 6,7 bis 13,2 Prozent kräftig gestiegen. Im kommenden Jahr werden die Ostlöhne dann vollständig an das Westniveau angeglichen.

Im Bauhauptgewerbe gibt es indes eine zweigeteilte Konjunkturentwicklung, die sich 2025 fortsetzen dürfte. Während der Wohnungsbau schwächelt, sind die privaten und staatlichen Order im Tiefbau auf Wachstum gestellt. »Hier schlagen sich die nachhaltigen Pläne zum Ausbau der Energieinfrastruktur, zum Ausbau des ÖPNV und zum Schienenausbau der Deutschen Bahn nieder«, erklärt ein Sprecher des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe.

Hoffnung setzen große Konzerne wie Hochtief, Strabag und Züblin, aber auch die über 80 000 eher mittelständischen Unternehmen auf das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für Infrastruktur. Die Sanierung von Brücken und Straßen dürfte dem Tiefbau einen zusätzlichen Schub verleihen, während der »öffentliche« Hochbau auf den Kita- und Schulausbau setzt.

Die große Bedeutung des Bauhauptgewerbes für Konjunktur und Volkswirtschaft hängt auch mit den vor- und nachgelagerten Produktionsstufen zusammen – von den Architekten bis zum Ausbaugewerbe. Gerüstbauern, Dachdeckern, Malern und anderen Handwerksbetrieben mangelt es an Fachpersonal. Im Trend hat dieser Mangel den Anstieg der Frauenquote begünstigt. Der Anteil von Frauen unter Bauingenieuren und in der Bauüberwachung liegt bei rund 30 Prozent. Gestiegen ist auch der Anteil der Beschäftigten mit einem ausländischen Pass: von 8 Prozent 2009 auf rund 25 Prozent.

Ob der Arbeitskräftemangel den erhofften Bauboom infrage stellt, bleibt abzuwarten. Gewerkschafter Feiger will jedoch keine Ausreden gelten lassen und macht Druck: »Die neue Bundesregierung muss von Tag 1 an auf Infrastruktur-Tempo setzen.«

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