Trumps Mauer wird auch Tiere trennen
Forscher fürchten negative Auswirkungen auf den Artenreichtum in den USA und in Mexiko
Vom Kalifornischen Rotbeinfrosch bis zur seltenen Wildkatze Jaguarundi - entlang der US-Grenze zu Mexiko ist der Tierreichtum immens. Im südlichsten Zipfel von Texas etwa, im Rio Grande Tal, leben so viele verschiedene Tierarten wie an wenigen Orten Nordamerikas. Mehr als 700 Wirbeltierspezies gibt es im Schutzgebiet Lower Rio Grande Valley, einem der drei Naturschutzreservate, die sich den östlichen Teil der Grenze entlang zum Golf von Mexiko erstrecken. Das Schutzgebiet reicht hinab bis an den Rio Grande.
Schon seit 2009 durchschneidet ein massiver, mit nur schmalen Durchlässen versehener Grenzzaun große Teile des Reservats. Fünfeinhalb Meter hoch, aus Stahlplanken zusammengefügt, soll er Schmuggler und illegale Einwanderer abhalten. Wegen der vielen Flusswindungen und der Überflutungsgefahr folgt der Zaun nicht dem Fluss und Grenzverlauf, sondern zieht sich geradliniger und oft mehrere Meilen nördlich des Rio Grande durchs Land.
Wissenschaftler beklagen seit Jahren die negativen Auswirkungen dieser Barriere auf Tiere. Denn die Durchlässe sind für Tiere wie Dickhornschafe oder Pumas zu schmal. Kleineren Tieren fehlt der Schutz durch Gras- und Buschland, wenn sie über die gerodeten Streifen laufen.
Über 1200 Kilometer hinweg ist die 3144 Kilometer lange Grenze bereits per Einfach-, Doppel- oder gar Dreifachzaun abgeschottet, hinzu kommen Areale mit Wachtürmen und Sensorfeldern. »Das alles hat die Situation in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert«, sagt Umweltwissenschaftler Rick van Schoik, der an der San Diego University für das Worldwatch Institute 2004 eine erste große Studie zur Artenvielfalt entlang der Grenze durchgeführt hatte. Betroffen seien sogar Vögel, so die kleinen, am Boden lebenden Kanincheneulen. »Wenn ihr Lebensraum abgetrennt wird, schaffen sie es nicht, über die Mauer zu fliegen«, sagt van Schoik. Auch der in den USA sehr seltene Brasilsperlingskauz leide an der Beschneidung seines Lebensraumes.
Nahe des Rio Grande etwa leben die letzten freien Ozelots der USA. Etwa 50 Tiere gibt es noch nördlich des Grenzzauns. Der Zugang zur etwas größeren, genetisch gemischteren Ozelotpopulation in Mexiko wird durch den Zaun erschwert. Auch Berglöwen und Jaguare sind in ihrem Bewegungsraum eingeschränkt.
2011 untersuchten Forscher der University of Texas die Auswirkung der Teilbarriere auf die Tierwelt. Demnach zählen zu den betroffenen Tierarten vier, die weltweit oder in den USA und Mexiko gefährdet sind, und 23 mit sehr kleinem Bestand. Dazu gehören der Kalifornische Rotbeinfrosch und der Jaguarundi.
Rotluchse wurden beobachtet, wie sie mehrmals am Tag die Grenze überqueren. Was, wenn Trumps Komplettmauer kommt? »Künftig soll die Mauer ja auch durch bislang unberührte Gebiete, etwa in Bergregionen führen«, beklagt van Schoik. Tim Keitt von der University of Texas betont: »Eine durchgehende Mauer würde Populationen auf beiden Seiten isolieren. Sind diese Populationen klein, laufen sie Gefahr auszusterben - auch wenn die Spezies andernorts überlebt.« Auf lange Sicht sei entlang der Grenze eine Zone mit verringerter Artenvielfalt zu erwarten. Gefährdet seien die Tiere vor allem in Kalifornien, im Madrean Sky Island Archipel im Süden New Mexicos und an der Golfküste.
Das Outside Magazin hat mit Hilfe eines Programms der US-Wildtierbehörde zu berechnen versucht, was der Komplettausbau der Mauer für das Tierreich bedeuten würde. Ergebnis: 111 gefährdete Arten, vier Wildtierreservate und Fischbrutplätze könnten »potenziell betroffen« sein. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.