Heraus aus dem Windschatten

Die ehemalige Freie Volksbühne wagt unter dem Namen »Kulturvolk. Das Publikum« einen Neustart

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir hatten ein Problem«, sagt Alice Ströver, die Geschäftsführerin der ehemaligen Freien Volksbühne, zu den am Mittwoch im Wilmersdorfer Siegfried-Nestriepke-Haus versammelten Journalisten. »Mit unserem alten Namen hat man uns immer mit dem Theater am Rosa-Luxemburg-Platz in Verbindung gebracht.« Deswegen habe man nun beschlossen sich umzubenennen und eine »einheitliche, neue Marke« zu schaffen.

»Kulturvolk. Das Publikum« lautet der neue Name, der an die Tradition der Volksbühnenbewegung anknüpfen soll. Diese trägt seit 1890 bereits das Motto »Die Kunst dem Volke«. Weitere vom Verein genutzte Selbstbezeichnungen wie »Lust auf Kultur« gehören damit ebenfalls der Vergangenheit an. »Die Mails sind oft im Spamordner gelandet, dadurch haben wir schon Kontakte verloren«, sagt Ströver schmunzelnd.

Einst war die Volksbühne in Ostberlin nur ein Ableger der vor 127 Jahren gegründeten ehrwürdigen Berliner Besucherorganisation. Doch schon längst ist das bald von dem umstrittenen Chris Dercon geführte Haus unabhängig und seine Medienpräsenz - nicht nur durch die hitzige Debatte um die Castorf-Nachfolge - um einiges höher als beim Original. Für das kleine sechsköpfige Team um Ströver war es eine Herausforderung, überhaupt im Bewusstsein der Hauptstadt verankert zu bleiben. Auch das zweite ehemalige Theater des Vereins in der Charlottenburger Schaperstraße machte mit seinem Namen Konkurrenz.

Viele Mitglieder verließen das Projekt, doch Ströver wollte nicht aufgeben und beschloss bei ihrem Amtsantritt vor vier Jahren zu kämpfen. Sie schaffte es, den Abwärtstrend zu stoppen und setzte, vorerst intern, einen Modernisierungsprozess in Gang. »Alles wurde auf den Prüfstand gestellt.« Mittlerweile konnte sie erreichen, dass der Verein wieder rund 6200 Mitglieder zählt. Zehn Tickets werden nun im Schnitt von einer Person pro Jahr gekauft.

Mit der Präsentation am gestrigen Mittwoch wagte man nun den Schritt in die Öffentlichkeit. Eine überarbeitete Webseite, ein direktes Buchungssystem und eine neue Monatszeitschrift begleiten den Neuanfang. Auch zusätzliche Angebote, sowie die Möglichkeit, noch am Veranstaltungstag selbst zu buchen, sollen neue Nutzer werben.

Dass in Zeiten von Pegida und der AfD die Bezugname auf den Begriff »Volk« nicht unproblematisch ist, war dabei allen bewusst. »Wir haben heftige Diskussionen geführt«, sagt Ströver. Doch letztlich habe man sich an dem Merksatz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) orientiert: »Das Volk ist jeder, der in diesem Land lebt.« Am 15. Mai soll es trotzdem eine öffentliche Veranstaltung geben, auf der über die Namensnennung und Konnotation diskutiert werden kann.

Die Hoffnung, dass mit der Neuaufstellung auch eigene Spielproduktionen wieder eine Möglichkeit werden, versucht Ströver etwas zu bremsen. »Wir befinden uns momentan noch auf Konsolidierungskurs«, erklärt die Geschäftsführerin. Ihr Vorstandschef Frank Bielka fällt ihr jedoch gleich ins Wort: »Für die ferne Zukunft wollen wir nicht ausschließen, dass auch wieder Theater bei uns gespielt wird.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.