Wieder Führungswechsel am Pannen-Airport BER
Staatssekretär Lütke Daldrup wird neuer BER-Geschäftsführer / Flughafen-Chef Mühlenfeld unterschreibt Vertragsauflösung / Vertrauensverhältnis mit dem Aufsichtsrat zerrüttet
Berlin. Der Berliner Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup wird neuer Geschäftsführer der Berliner Flughäfen. Zudem verlässt Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) den Aufsichtsrat des Unternehmens, wie dieser am Montag ankündigte. Dies sei aus »Compliance-Gründen« notwendig. Lütke Daldrup sei eine gute, sachgerechte und schnelle Lösung, sagte Müller. Die Suche nach einem externen Manager mittels eines Personalvermittlers hätte mindestens ein halbes Jahr gedauert.
Müller kündigte an, dass der Bauleiter für den neuen Hauptstadtflughafen, Jörg Marks, seine Arbeit wieder aufnehmen werde. Mühlenfeld hatte den Ingenieur freigestellt, nachdem auf der Baustelle mehrere Termine verfehlt worden waren. Weil Mühlenfeld den Personalwechsel gegen den Willen des Aufsichtsrat vollzog, war die Führungskrise im Unternehmen entstanden.
Schönefeld. Auf das Personalkarussell BER sind schon viele aufgestiegen und konnten sich eines Tages nicht mehr halten. Dazu gehört nun auch Ex-Flughafenchef Karsten Mühlenfeld. Er wird ersetzt durch den Staatssekretär Lütke Daldrup. Zudem verlässt auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) nun den Aufsichtsrat. Die wichtigsten Köpfe in der Dauerkrise:
DIE FLUGHAFENCHEFS
- Rainer Schwarz: Wegen des geplatzten Eröffnung 2012 und des Krisenmanagements danach 2013 nach sieben Jahren im Unternehmen gekündigt. Leitet heute den Flughafen Münster-Osnabrück.
- Hartmut Mehdorn: Vorher Vorstandschef bei Deutscher Bahn und Air Berlin. Bis März 2015 zwei Jahre lang am BER. Kam mit Rücktritt nach Konflikten mit dem Aufsichtsrat womöglich seinem Rauswurf zuvor.
- Karsten Mühlenfeld: Zuletzt mit dem Aufsichtsrat überworfen, indem er den Technikchef auf der Baustelle für den neuen Hauptstadtflughafen auswechselte, obwohl die Kontrolleure dagegen waren.
DER ARCHITEKT
- Meinhard von Gerkan: Architekt der Flughäfen Tegel und BER. Sein Büro war Generalplaner, dessen Kündigung 2012 verstärkte das Chaos. Heutige Verantwortliche sehen den Rauswurf als Fehler.
DIE BAULEITER
- Manfred Körtgen: Musste wegen der geplatzten Eröffnung 2012 gehen. Für Kritik sorgte auch, dass er parallel zum Bau seine Promotion schrieb - über die Optimierung komplexer Baumaßnahmen.
- Horst Amann: Technikchef von Sommer 2012 bis November 2013, deckte tausende Mängel im Terminal auf, verlor aber einen erbitterten Machtkampf mit Mehdorn. Baut heute das Terminal 3 in Frankfurt.
- Jochen Großmann: Teilte die Brandschutzanlage auf, um sie steuerbar zu machen. Musste im Juni 2014 nach wenigen Monaten nach einer Korruptionsaffäre gehen. Wegen Bestechlichkeit verurteilt.
- Jörg Marks: Schrieb den geplatzten Zeitplan zur Eröffnung 2017. Besorgte als erster alle Genehmigungen für das Terminal. Nun nach zweieinhalb Jahren wegen fehlender Fortschritte von Mühlenfeld freigestellt. Müller kündigte an, dass der Bauleiter seine Arbeit nun wieder aufnehmen werde.
DIE AUFSICHTSRÄTE
- Klaus Wowereit (SPD): Regierender Bürgermeister von Berlin (2001-2014). Wegen der Pannen 2013 Rücktritt vom Aufsichtsratsvorsitz. Dann Rückkehr, bis 2014 seine politische Karriere endet - auch wegen des BER.
- Matthias Platzeck (SPD): Brandenburgs Ministerpräsident (2002-2013) Lange Wowereits Vize im Aufsichtsrat, 2013 für ein knappes Jahr Vorsitzender. Bonmot: »Entweder das Ding fliegt oder ich fliege.«
- Michael Müller (SPD): Berlins Regierender Bürgermeister kündigte Anfang März seinen Posten im Aufsichtsrat aus »Compliance Gründen«, offenbar zugunsten des neuen BER-Geschäftsführers, dem Berliner Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup, auf. nd/Agenturen
Mühlenfeld war 2015 als Nachfolger von Hartmut Mehdorn nach Berlin gekommen. Zuletzt hatte er sich mit dem Aufsichtsrat überworfen, indem er den Technikchef auf der Baustelle für den neuen Hauptstadtflughafen auswechselte, obwohl die Kontrolleure dagegen waren. Der Bund und Berlin sahen das Vertrauensverhältnis daraufhin erschüttert. Sie waren aber in der Nacht zum vergangenen Donnerstag im Aufsichtsrat damit gescheitert, Mühlenfeld zu entlassen.
Damit gibt es nach zwei Jahren den nächsten Führungswechsel bei dem politisch umkämpften Flughafen-Projekt. Airlines hatten zuvor davor gewarnt, sich von Mühlenfeld zu trennen. Sie fürchten weitere Verzögerungen an dem Flughafen, der eigentlich schon seit mehr als fünf Jahren in Betrieb sein sollte. Technikprobleme, Planungsfehler und Baumängel verzögern jedoch die Fertigstellung.
Mühlenfelds Nachfolger wird der vierte Flughafenchef seit dem Baubeginn des BER 2006. Rainer Schwarz hatte wegen der geplatzten Eröffnung 2012 und des Krisenmanagements danach 2013 seinen Hut nehmen müssen. Sein Nachfolger Mehdorn blieb bis März 2015 zwei Jahre lang am BER. Er trat nach Konflikten mit dem Aufsichtsrat zurück. dpa/nd
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