Mein Kind: Mal ein Mädchen, mal ein Junge

Aus der Reihe »Gender-Clash« (1): Wenn der Nachwuchs Lippenstifte mag, Fußball spielt und viel auf den Boden spuckt, ist das ein Problem?

  • Lesedauer: 2 Min.

Auch wenn viele die Geschlechterungleichheit und die großen Geschichten des Sexismus 2017 für beinahe überwunden erklären: Wer Augen und Ohren offen hält, stößt jeden Tag auf sie, die kleinen, großen Clashes mit den Geschlechterverhältnissen. Das gilt auch für »nd«-Redakteur*innen. Wir haben ein paar Alltags-Anekdoten für euch aufgeschrieben und präsentieren sie in einer kleinen Reihe.

Wenn ich mein zweieinhalbjähriges Kind frage, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, sagt es: »Ich bin eine Prinzessin.« Früher hat es gesagt: »Ich bin ein kleiner Junge.« Nun sagt es: »Früher war ich ein Mädchen.« Mein Kind straft seine Spielautos mit Nichtachtung, seine Puppe, die es zu Weihnachten bekommen hat und deshalb den Namen »Maria« trägt, ebenso. Mein Kind liebt es, Ringe und Ketten zu tragen, auch sein Kleid. Mein Kind spielt unglaublich gut Fußball und tanzt gerne.

Mein Kind hat sehr schöne Haare, erst schulterlang, seit dem zweiten Geburtstag trägt es einen Pagenschnitt. Es hält in der Drogerie bei den Lippenstiften an und fragt seinen Vater, ob er auch »angeschminkt« sei. Es spuckt gerne und viel auf den Boden. Seine Oma fand die langen Haare nicht gut. Aber nicht mit dem Kleid zur Kita, sagt der Vater. Ob sein Enkelkind sich die Puppe gewünscht habe, fragt der Opa, oder ob das mein Projekt sei.

Ich spüre einen Stolz, dass mein Kind sich so verhält, so mutig, obwohl es von seinem Mut gar nichts weiß. Stolz auch auf mich, dass ich das nicht nur aushalte, sondern ermögliche. Gleichzeitig denke ich, dass das Stehenbleiben bei den Lippenstiften bald aufhören muss, dass mein Kind nicht allen Leuten so laut erzählen soll, was es für eine schöne Kette trägt, und dass ich es nicht mit meinem lila Lidschatten auf den Wangen zum Einkaufen nehmen werde. Ich lese, dass ich keine »Angst« haben soll, das alles verwachse sich in der Pubertät. Ich habe doch keine Angst!, denke ich. Ich habe aber Angst, denke ich. anonym

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