Fatale Umverteilung?

Eva Roth ist irritiert von der politischen Analyse des Industriepräsidenten

In Deutschland habe die Politik einen »fatalen Hang zum Umverteilen«, beklagt Industriepräsident Dieter Kempf. Wie bitte? Haben wir irgendwas verpasst? Schauen wir sicherheitshalber noch mal beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung nach: Hierzulande haben sich die Löhne seit Anfang der 1990er Jahre stark auseinander entwickelt, erst in jüngster Zeit ist die Kluft ein bisschen kleiner geworden.

Dank staatlicher Umverteilung ist die Ungleichheit bei den verfügbaren Einkommen, zu denen auch Sozialtransfers gehören, nicht ganz so krass. Sie ist aber auch gestiegen. Das bedeutet zum Beispiel: Das Realeinkommen der reichsten zehn Prozent aller Haushalte ist seit 1991 um rund 27 Prozent gestiegen. Die ärmsten zehn Prozent aller Haushalte mussten hingegen real einen Einkommensverlust von acht Prozent hinnehmen. Dass die Politik dazu neigt, zu viel umzuverteilen, lässt sich aus diesen Daten nur schwerlich ablesen. Im Übrigen ist Umverteilung nicht fatal, sondern die ureigene Aufgabe des Sozialstaats.

Kempf bezieht seine Kritik auf das SPD-Vorhaben, arbeitslose Menschen etwas stärker zu unterstützen. Das ist auch geboten. So sind in Deutschland 69 Prozent der Erwerbslosen armutsgefährdet - im EU-Durchschnitt sind es »nur« 48 Prozent. Auch in Ländern wie Österreich, wo die Arbeitslosenquote relativ gering ist, stehen Erwerbslose finanziell deutlich besser da.

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