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Neukölln stellt Fahrradbügel auf Autoparkplätze

Mit dem Pilotprojekt will der Bezirk einen weiteren Schritt in Richtung Verkehrswende in Berlin gehen

  • Yves Bellinghausen
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer viel radelt, der muss sich mit allerhand Abstellplätzen für sein Fahrrad herumschlagen: Das Verkehrsschild, die Ampel, der Bauzaun, die Regenrinne. Manchmal, mit etwas Glück, findet sich sogar einen Gegenstand, der eigens dafür erdacht wurde, einem Fahrrad Sicherheit vor Diebstahl zu geben. Der Rolls Royce unter den Abstellgelegenheiten ist der Fahrradbügel. Schön glänzend biegt sich das glatte Metall in einem Halbrund aus dem Boden. Mit seinem großzügigen Umfang gibt der Fahrradbügel einen Halt, den Straßenschilder und Bauzäune nicht bieten können. Noch dazu ist der Luxus-Fahrradparkplatz mit etwa 200 Euro Beschaffungskosten relativ günstig.

In Neukölln startet in den nächsten Wochen ein Pilotprojekt, bei dem an zehn Plätzen neue Fahrradbügel aufgestellt werden sollen - sieben von ihnen auf der Fahrbahn und auf Parkplätzen, auf denen bisher Autos stehen.

Unter anderem kommen die Bügel in die Schönstedtstraße neben das Rathaus, in die Donaustraße vor das Bürgeramt und in die Weserstraße.

Die Fahrradbügel sind schon bestellt und bezahlt, heißt es vom zuständigen Straßen- und Grünflächenamt des Bezirks. Jetzt müsse man nur noch auf das richtige Wetter warten. Den Allgemeinen Deutschen Autoclub (ADAC) begeistert es erwartungsgemäß nicht, dass die Fahrräder einen weiteren Vorstoß auf das hoheitliche Gebiet des Kraftwagens wagen. Die Reduzierung von Autoparkplätzen müsse dringend vermieden werden, sagt ADAC-Sprecherin Sandra Hass. »Anwohner finden schon jetzt kaum noch freie Parkplätze, sogar in Gebieten mit Parkraumbewirtschaftung.« Fahrradstellplätze sollten doch lieber auf den Bürgersteigen ihren Platz finden, sagt Hass.

Der Fahrradclub ADFC hält dagegen, dass man auf einem Pkw-Parkplatz ganze sechs Fahrradbügel aufstellen könne. Voll ausgelastet können somit anstelle eines Pkw zwölf Fahrräder sicheren Halt an den Fahrradbügeln finden. Die Nachfrage sei da, versichert ein ADFC-Sprecher. Weil der zunehmende Verkehr in der wachsenden Stadt nicht mit Autos zu bewältigen sei, wird es wohl nicht bei einem Pilotprojekt bleiben. Den Senat lobt der Sprecher: »Berlin steht unter der rot-rot-grünen Regierung vor einem Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik.«

Stefan Gelbhaar, Verkehrsexperte der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, kann die ADFC-Einschätzung bestätigen. Gelbhaar sieht sich nicht in Opposition zu den Autofahrern. Dennoch ist für ihn klar, dass Berlin ein ernsthaftes Problem hätte, wenn alle Bürger mit dem Auto fahren würden. Fahrradbügel seien da ein probates Mittel, um den Menschen das Fahrrad schmackhaft zu machen - auch wenn sie auf den Parkplätzen der Autos stünden. »Man kann auch nicht die Gehwege immer kleiner machen«, sagt Gelbhaar.

Zudem gebe es Untersuchungen, die zeigen, dass mehr Fahrradverkehr Straßen lebendiger mache und bei anliegenden Geschäften der Umsatz gesteigert werde - von den Auswirkungen auf Mensch und Umwelt ganz zu schweigen. Berlin wird sich also in Zukunft auf mehr Fahrradbügel einstellen müssen.

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