Obamacare unterm Messer

Gesetzentwurf der US-Republikaner bedroht Millionen Krankenversicherte

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Die bisher weitreichendste US-Gesundheitsreform, das Markenzeichen schlechthin von Barack Obamas Präsidentschaft, ist nun auch amtlich im Visier der Trump-Regierung. Das Repräsentantenhaus behandelt einen Gesetzentwurf der Republikaner, der auf Widerruf bzw. Ersatz des «Affordable Care Act» zielt.

Das als Obamacare bekannt gewordene, bis heute angefeindete Gesetzespaket war 2010 verabschiedet worden. Es brachte seitdem rund 20 Millionen der einst 47 Millionen nicht versicherten US-Amerikaner in den Schutz einer Krankenversicherung. Vor allem drei Veränderungen wurden von Jahr zu Jahr populärer: Eltern können in Ausbildung befindliche Kinder bis 26 Jahre mitversichern. Zudem wurde die Bürde beseitigt, dass Personen mit einer Vorerkrankung sich bis dahin zwar gegen andere Krankheiten, nicht jedoch für diese Vorerkrankung versichern konnten. Und schließlich schaffte die Reform die Klausel ab, wonach eine Versicherung für einen Kunden im Laufe seines Lebens höchstens 1,5 Millionen Dollar zahlen muss – für Schwer- und Langzeitkranke ein weiteres Damoklesschwert, welches das Obama-Gesetz beseitigte.

Diese und viele andere Regelungen kommen mit dem neuen Gesetzentwurf, der zugleich Trumps erster parlamentarischer Test ist, auf den Prüfstand. Für die Krankenversicherten, namentlich Geringverdiener, die mit Obamacare Finanzhilfen bekommen, damit sie sich eine Versicherung überhaupt leisten können, besteht das doppelte Problem: Die vom Republikaner-Entwurf vorgesehene Streichung der Zuschüsse könnte Millionen erstmals Krankenversicherte wieder aus dem Netz stoßen.

Und der Entwurf selbst ist – wie vieles bisher in der Trump-Administration – ein Schnellschuss, der auch in den Reihen der Republikaner umstritten ist. Im Zuge seiner Veränderungen könnte die «Bill» im Gesetzgebungsprozess weiter verschärft werden oder aber scheitern.

Letzteres schließt Mitch McConnell, republikanischer Mehrheitsführer im Senat, wo die Gesetzesvorlage ebenfalls zustimmungspflichtig ist, nicht aus. Er sagte, der Entwurf könne wegen der Ungereimtheiten und Anfeindungen in den eigenen Reihen bis zum Eintreffen im Oberhaus «gestorben sein». Hinzu kommt, dass eine republikanische Abstimmungsmehrheit für den Entwurf im Repräsentantenhaus zwar als möglich gilt. Anders im Senat, wo die Republikaner nur zwei Sitze mehr haben und schon jetzt vier von ihnen ihre Ablehnung angekündigt haben. Ihnen geht der Vorstoß entweder zu weit oder aber nicht weit genug.

Die «New York Times» schrieb in einem Leitartikel zur Veröffentlichung des Gesetzentwurfs: Kein Wunder, dass es die Führer der Republikaner im Repräsentantenhaus bisher immer ablehnten zu sagen, wie sie Obamacare widerrufen bzw. durch ein besseres Gesetz ersetzen wollen. «Sie waren sogar so weit gegangen, den Entwurf vor anderen Abgeordneten zu verstecken. Kein Wunder: Der Gesetzentwurf würde bei seiner Umsetzung Millionen Bürgern den Versicherungsschutz rauben, den sie heute haben. So viel zu Präsident Trumps großartigem Wahlkampfversprechen: »Wir werden jedermann mit einer Krankenversicherung ausstatten« – und zwar mit einer Deckung, die »sehr viel weniger kosten würde als heute und die sehr viel besser sein wird«.

Gesundheitsexperten, so die Zeitung weiter, sagen vorher, dass viele arbeitende Menschen ihren Versicherungsschutz wieder verlieren werden, »während die Reichen von dem neuen Gesetzentwurf profitieren. Der Entwurf würde nämlich jene Unternehmen und Individuen steuerfrei stellen, die mit Jahreseinkommen von über 200.000 Dollar Obamacare finanzieren helfen. Diese Steuerbefreiung würde über einen Zeitraum von zehn Jahren insgesamt 600 Milliarden Dollar betragen.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.