SPD sieht bei der Linkspartei »Chaoten«
Barley blickt skeptisch auf mögliche Kooperation / Rot-Rot-Grün vor allem im Osten beliebt / Jusos wollen klare SPD-Absage an Große Koalition
Berlin. Aus der SPD dringt kurz vor der Wahl von Martin Schulz zum Parteichef einmal mehr die alte Melodie, laut der es sich bei der Linkspartei um »mindestens zwei Parteien« handelt. Wie die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley der »Welt« sagte, gebe es dort »Vernünftige und Chaoten, die nur ins Dagegen verliebt sind«.
Barley weiter: »Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich am liebsten mit den Grünen koalieren.« Auch eine Zusammenarbeit mit der FDP schloss sie nicht aus. »Wo die FDP wirklich liberal ist, ist sie für uns ein möglicher Koalitionspartner.« Ganz generell müssten alle »demokratische Parteien miteinander regierungsfähig sein«. Eine Große Koalition dürfe allerdings »keine Dauerlösung« sein. Einer SPD-Minderheitsregierung nach der Bundestagswahl am 24. September erteilte Barley eine Absage.
Zuvor hatten die Jusos den SPD-Kanzlerkandidaten Schulz aufgefordert, eine Fortsetzung des Bündnisses mit der Union nach der Bundestagswahl auszuschließen. »Wir erwarten von Martin Schulz eine klare Absage an die Groko. Er sollte die Aufbruchsstimmung für einen echten Politikwechsel nutzen – am liebsten natürlich in einer rot-rot-grünen Koalition«, war Juso-Chefin Johanna Uekermann zitiert worden. Schulz lehnt das ab. »Wer mit uns koalieren will, ist herzlich eingeladen, nach der Wahl auf uns zuzukommen«, sagte er der »Rheinischen Post«. »Einzig ein Bündnis mit der AfD schließe ich aus.«
Einer aktuellen Umfrage zufolge befürworten 39 Prozent der Befragten eine rot-rot-grüne Koalition im Bund - für eine Große Koalition sprachen sich 49 Prozent aus. Die Zustimmung zu Rot-Rot-Grün im Osten ist mit 44 Prozent deutlich höher als im Westen (37 Prozent). Unter den Anhängern der Linkspartei sagten in der Emnid-Umfrage für die Illustrierte »Focus« sogar 98 Prozent, sie würden Rot-Rot-Grün bevorzugen. Bei den Grünen sind es 85 Prozent, bei der SPD 57 Prozent.
Für den saarländischen Fraktionschef der Linkspartei, Oskar Lafontaine, ist die entscheidende Frage für eine rot-rot-grüne Kooperation, »ob führende Sozialdemokraten wirklich einen Politikwechsel wollen oder nur ein modifiziertes ›Weiter so‹«. Im »Focus« sagte er, die bisher von Martin Schulz und anderen angekündigten Korrekturen an der Agenda-Politik seien »bescheiden«. Lafontaine plädierte für eine »grundsätzliche Abkehr von der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte«. So müsse unter anderem die Prekarisierung der Arbeit gestoppt und der Niedrieglohnsektor abgeschafft werden. »Die Zumutbarkeitsregel von Hartz IV, nach der jede Arbeit unabhängig von Bezahlung und Qualifikation, angenommen werden muss, ist der Schlüssel für das Lohndumping. Sie muss fallen«, so Lafontaine.
Zuvor hatte es Kritik an Äußerungen von SPD-Mann Schulz gegeben, der gesagt hatte, dass das Thema der Sanktionen für Erwerbslose »ein bisschen überhöht wird«. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, twitterte, eine »Gerechtigkeitswende« sei nur möglich, wenn man »Tschüss« zu den Hartz-Sanktionen sage. Schulz’ »Verteidigung der Sanktionen zeigt, wie wichtig starke LINKE ist«.
Lafontaine sagte nun, »wenn wir als Linke heute wieder den Sozialstaat und das Steuersystem fordern, das es zu Zeiten von Helmut Kohl gegeben hat, dann stoßen wir auf heftige Ablehnung.« Die politische Perspektive habe sich »total verschoben«. nd/Agenturen
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.