Gemeinsam planen und bauen
Mit einem digitalen Baustellenatlas können Netzbetreiber ihre Maßnahmen besser planen
Der Tempelhofer Damm soll ab 2020 zu einer wahren Musterbaustelle werden. Berliner Wasserbetriebe (BWB), Verkehrsbetriebe (BVG), die für die Gasleitungen zuständige Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB), Stromnetz Berlin und die Deutsche Bahn (DB) wollen in einem Abwasch alles erledigen, was sie auf, neben und unter der Ausfallstraße so vorhaben.
»Wir haben schon seit Jahrzehnten versucht, uns zu koordinieren, aber das ist immer wieder in die Hose gegangen«, sagt Bernd Kopplin. Er ist Leiter der Bauabteilung der NBB. Doch nun soll alles anders werden. Möglich macht das der digitale Baustellenatlas der Infrest, was ausgeschrieben »Infrastruktur eStraße« heißt. Seit einem Jahr ist das digitale Kompendium der hauptstädtischen Netzbetreiber in Betrieb. 3262 laufende Baustellen verzeichnet der Atlas diesen Montag in der Hauptstadt, zusammen mit den geplanten Maßnahmen der nächsten Jahre werden 8615 Vorhaben gelistet.
»Die mangelnde Koordinierung endete für die Berliner in einem gefühlten Baustellenchaos«, sagt Infrest-Geschäftsführer Jürgen Besler. »Früher haben die einzelnen Bezirksämter und Senatsverwaltungen ihre Koordinierungsrolle bei Bauvorhaben besser wahrgenommen«, sagt U-Bahn-Bauchef Uwe Kutscher. Doch im Rahmen der Sparpolitik hätten sich die entsprechenden Stellen immer mehr aus dieser Rolle zurückgezogen. »Infrest ist die Selbsthilfegruppe der Netzbetreiber«, sagt Gerhard Plambeck, der für das Fernwärmenetz von Vattenfall zuständig ist.
Der Senat hat mit einem 2014 erlassenen Aufgrabungsverbot auf die zum Teil selbstverschuldeten, unbefriedigenden Zustände reagiert. Straßen dürfen fünf Jahre, Bürgersteige und Radwege drei Jahre nach Abschluss einer geplanten Maßnahme nicht erneut aufgerissen werden. Die seit Jahren am Rande des Zusammenbruchs agierende Verkehrslenkung Berlin, die Bauarbeiten auf den Hauptstraßen genehmigen muss, motivierte die Unternehmen zusätzlich, möglichst viel selbst zu machen.
Wie lief es also am Tempelhofer Damm? Den Aufschlag machten die Wasserbetriebe, die drei jeweils einen Meter dicke Abwasserdruckleitungen tauschen müssen, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts verlegt wurden. »Das sind genau die Leitungen, von denen uns im letzten Sommer eine unter dem Mariendorfer Damm geplatzt ist«, sagt Andrej Heilmann, Bauchef der Wasserbetriebe. »Sich durch das Netz durchzuhavarieren ist allerdings die schlechteste Variante für alle Beteiligten«, so Heilmann.
Daraufhin klinkte sich die BVG ein, die die Abdichtungen der U-Bahntunnel erneuert. Die NBB wird Gasleitungen sanieren, Vattenfall möchte Stromleitungen erneuern. »Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren auf dem Tempelhofer Feld etwas passieren wird. Mit den neuen Leitungen haben wir Kapazität für den Lastzuwachs«, sagt Kerstin Riesch, die für die Mittel- und Niederspannungsnetze zuständig ist. Die Bahn plant wiederum einen zweiten Zugang vom S-Bahnhof Tempelhof. Und sogar die Verkehrsverwaltung hat macht mit und will den Querschnitt des Tempelhofer Damms ändern. »Wenn wir buddeln, kann der Senat danach eine neue Straße bekommen, das sagen wir den Stellen immer«, sagt Uwe Kutscher von der BVG. Der neue Tempelhofer Damm soll übrigens planmäßig 2024 fertig sein.
So eine Koordination klappt nur mit jahrelangem Vorlauf. »Jede Verwaltung hat ihren eigenen Wirtschaftsplan«, so Kutscher. »Da kann man nicht einfach ein Jahr vorher kommen.« Und für strittige Fragen zwischen den Betrieben gibt es regelmäßige Treffen bei der Infrest. »Die Überlegung in den koordinierten Projekten ist, einen gemeinsamen Verkehrsplaner zu finden, der uns auch zum benötigten Zeitpunkt die entsprechenden Bauflächen zuweisen kann. Das kann auch deutlich Baukosten sparen«, sagt Heilmann von den BWB.
Jetzt müsste noch die Verwaltung mitmachen. »Zwei Bezirke hatten bereits einen eigenständigen Testbetrieb mit dem Baustellenatlas - und haben sich dafür ausgesprochen«, berichtet Jürgen Besler. Dort fürchte man allerdings noch die Kosten.
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