Kooperation statt Konkurrenz

In Italien erobern Projekte solidarischer Ökonomie zahlreiche Wirtschaftsbereiche

  • Roland Bunzenthal
  • Lesedauer: 3 Min.

Die »Fa' la cosa giusta« ist die Mailänder Messe für verantwortungsbewussten Konsum und einen nachhaltigen Lebensstil. Für Giuliana Giorgi ein wichtiger Termin. Alljährlich trifft die italienische Politologin bei dieser Gelegenheit Leute aus der europäischen Szene der Biobauern, von Handwerkerkooperativen und Sozialgenossenschaften. In anderen Städten wie Rom, Bologna, Ancona und Como, gibt es ähnliche »Feste der anderen Ökonomie«.

Die Messe ist auch Treffpunkt von »solidarischen Einkaufsgruppen«- Dabei handelt es sich meist um Stadtbewohner, die sich in Gruppen von 40 bis 50 Familien zusammentun, um direkt Produkte von lokalen Biobauern zu beziehen. Damit helfen die Einkaufsgemeinschaften Bauern, ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern. Die kritischen Konsumenten vermarkten Olivenöl von griechischen Genossen ebenso wie Apfelsinen aus Sizilien. Die Orangenbauern der Insel konnten mit Hilfe der Verbrauchergruppen, die von der Mafia kontrollierten Zwischenhändler umgehen. »Früher diktierte uns die Mafia den Preis - heute verkaufen wir direkt an die Konsumentengruppen«, erklärt Giuliana Giorgi.

Die neuen Kooperativen und informellen Selbsthilfegruppen sind in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen tätig: in der Landwirtschaft, im Handwerk, in der Energieversorgung, im Bereich der Open Source Software und in marktnahen sozialen Diensten. Viele der neuen Kooperativen und informellen Selbsthilfegruppen erhalten auch öffentliche Aufträge in Bereichen wie der ambulanten Pflege.

Für zahlreiche Firmen bleibt eine Überführung der Firma in die genossenschaftliche Selbstverwaltung die einzige Überlebenschance. Überall, wo der Staat sich aus der sozialen Verantwortung zurückziehe, berichtet Giorgi, »erleben die strukturschwachen Regionen eine Gründerwelle«, um diese Lücke zu schließen.

Diese italienische Entwicklung referierte Giuliana Giorgi in einem international besetzten Kolloquium, das rund 50 Experten und Aktivisten auf Einladung der Adam von Trott Stiftung Anfang März im nordhessischen Bebra-Imshausen zusammenbrachte. Im Verlauf der Debatten wurde deutlich, dass die Bewegung des alternativen Wirtschaftens fast überall Zuwächse verzeichnet.

Treibende Kraft dabei sei die Abkehr vieler junger Menschen »vom reinen Profitdenken«, meint die ehemalige Kasseler Soziologie Professorin Clarita Müller-Plantenberg, die vor einigen Jahren den Verein zur Förderung der solidarischen Ökonomie gegründet hat.

Die solidarische Ökonomie sei eine Antwort progressiver Kräfte auf die scheinbar alternativlosen Zwänge der Globalisierung, betont Müller-Plantenberg. Sie ist in Europa und Südamerika aktiv: Zusammen mit Ökologen und Ökonomen fördert und koordiniert sie regionale Kreisläufe und Netzwerke in beiden Kontinenten. Dabei kann Müller-Plantenberg auf ihre Erfahrungen mit brasilianischen Genossenschaften zurückgreifen.

Für sie zeichnet sich die Solidarische Ökonomie durch klare Kriterien aus. Im Unterschied zu herkömmlichen Unternehmen und auch Genossenschaften, die von Profitmaximierung angetrieben werden, haben Kooperativen die Steigerung des gesellschaftlichen Nutzens zum Ziel. Hinzukommen Kooperationsbereitschaft und eine demokratische Struktur. »Die zentrale Frage«, betont Müller-Plantenberg, »ist die kollektive Aktion und die demokratische Beziehung zwischen Konkurrenz und Kooperation.«

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