Olympiapark oder grüne Wiese
Hertha BSC will ein neues Stadion bauen – Ob in Berlin oder Ludwigsfelde, der Standort ist umstritten
Der Ort war mit Bedacht gewählt. Hertha BSC hatte am Donnerstag zu einem wichtigen Termin geladen: die Präsentation der Standortanalyse für das neue Stadion. Sie fand im Clubhaus des Olympiaparks statt. »Eine besondere Atmosphäre« wollte der Verein schaffen. Von dem roten Backsteinbau, in dem sogar die Toilettenwände holzvertäfelt sind und auf dessen altem Steinbalkon sich das Moos breitgemacht hat, kann man den Blick weit schweifen lassen - fast über das gesamte Olympiagelände, gelegen auf einem 132 Hektar großen Hochplateau.
Heimat war das zentrale Thema des Tages. »Fakt ist: Wir werden eine neue Fußballarena bauen«, heißt es in dem Präsentationsfilm, der auf einer riesigen LED-Wand gezeigt wurde. Bloß wo? Diese Frage beantwortete Werner Gegenbauer, der Präsident des Fußball-Bundesligisten, später eindeutig: »Es ist unser dringender Wunsch, in Berlin zu bleiben.« Und für diesen Wunsch lässt die Analyse, die im Rahmen der Machbarkeitsstudie vom Planungs- und Architekturbüro »Albert Speer + Partner« erstellt wurde, nur einen Standort zu - den Olympiapark. Dort, wo Hertha BSC seinen Vereinssitz hat. Dort, wo der Klub als Gründungsmitglied der Bundesliga am 24. August 1963 sein erstes Heimspiel in dieser Spielklasse ausgetragen hat.
Wohl fühlt sich der Verein in seinem Wohnzimmer aber schon lange nicht mehr. Deshalb will er 2025 umziehen: raus aus dem Olympiastadion, rein in eine neue, eigene Fußballarena mit 55 000 Plätzen. Bis dahin gilt der Mietvertrag mit dem Land Berlin, Hertha BSC zahlt pro Saison zwischen viereinhalb und fünf Millionen Euro für die Nutzung des Stadions. »Steil, nah, laut« - die im Präsentationsfilm beschriebenen Vorteile eines Neubaus sind im Umkehrschluss die Nachteile des Olympiastadions. Die Fans sind durch eine Laufbahn vom Spielfeld getrennt, was sich nachteilig auf die Atmosphäre und die Besucherzahlen auswirkt. Die durchschnittliche Auslastung aller Bundesligastadien beträgt 92 Prozent, in Berlin sind es nur 64 Prozent. Hertha BSC ist der letzte Erstligaverein, der kein reines Fußballstadion hat. Zudem ist der Klub nur Mieter und kann das Stadion als Ort beispielsweise fußballfremder Veranstaltungen nicht selbst vermarkten.
Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurden 52 mögliche Standorte geprüft. Übrig geblieben sind zwei: Neben dem Olympiapark wurde der Brandenburg Park in Ludwigsfelde, neun Kilometer südlich von Berlin, für einen möglichen Stadionneubau präsentiert. Als »Alternative«, wie Werner Gegenbauer betonte. Diese ist nötig. Denn das Land Berlin will Hertha BSC nicht als Mieter des Olympiastadions verlieren, weil es die Kosten für das dann leerstehende »Denkmal« allein tragen müsste. Und deshalb bietet die Stadt bislang keine Bauflächen für eine neue Fußballarena an, auch das Olympiagelände gehört Berlin.
An diesem Freitag spielt Hertha BSC gegen Hoffenheim, ein Kampf um die internationalen Startplätze für die kommende Saison. Michael Müller (SPD) wird im Olympiastadion sein. Den Besuch des Regierenden Bürgermeisters deutet Herthas Manager Michael Preetz aber nicht als positives Zeichen: »Er ist ja nicht das erste Mal hier.« Den Präsentationsfilm hat Müller schon am Mittwoch gesehen. »Gut« fand Herthas Präsident Gegenbauer die Gespräche danach.
Eine Sorge kann Hertha BSC der Stadt nehmen. »Das Stadion wird zu 100 Prozent privat finanziert«, verspricht der Verein. Wie die Fans auf mögliche strategische Partner oder den Einstieg eines oder mehrerer Investoren reagieren, bleibt abzuwarten. Als vor nicht allzu langer Zeit publik wurde, dass der Klub auch einen Umzug ins Umland erwägen würde, gab es Proteste. Wohlwollende Angebote machten gleich mehrere Brandenburger Städte. Sogar Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bekundete öffentlich Interesse an einem Umzug des Bundesligisten in sein Bundesland.
Interesse und auch erste Gespräche mit Nachbarn aus Brandenburg konnte man noch als vage Drohung von Hertha BSC an das Land Berlin verstehen. Mit der nun abgeschlossenen Standortanalyse ist diese nun ganz konkret. »Ein Stadion nach Maß«, nennt Matthias Schöner von »Albert Speer + Partner« sogar das Modell auf einer grünen Wiese in Ludwigsfelde. Im Olympiapark, wo die neue Fußballarena zwischen Olympiastadion, Hockeystadion und Hanns-Braun-Straße, müssten umfeldbedingte Anpassungen vorgenommen werden.
Hertha BSC spielt noch auf Zeit. Erstens sei die Standortanalyse nur Punkt eins der Machbarkeitsstudie. Von den Punkten zwei und drei, Finanzierung und letztliche Umsetzung des Baus, sei man noch weit entfernt. Aber der Klub versucht auch schon jetzt all jene zu beruhigen, die ihm einen Umzug nach Brandenburg nicht verzeihen würden. »Hertha bleibt ein Berliner Verein, allerdings mit einer Spielstätte in Brandenburg«, skizzierte Werner Gegenbauer diese Möglichkeit. Zwar kommen schon jetzt viele Anhänger des Berliner Bundesligisten aus dem Umland, diese Vision ist für die meisten aber ein Albtraum. Laut einer Befragung unter den Dauerkarteninhabern sind die meisten für einen Stadionneubau, jedoch nur in Berlin.
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