Der Knappe als Lotse

Kanzleramtsminister Peter Altmaier soll das Wahlkampfprogramm der CDU verfassen

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Den Wahlkampf für die Union inhaltlich vorbereiten? Das klingt nach einer Ganztagsbeschäftigung, zumindest für etliche Monate. Das Kanzleramt führen, also die Machtzentrale der Bundesregierung? Das ist wohl auch kaum nebenher zu schaffen, selbst wenn die Regierungstätigkeit demnächst bis zur Bundestagswahl Herbst mehr oder minder eingestellt werden dürfte. Doch suggeriert die Union gerade nichts anderes, als wäre eine dieser Tätigkeiten eine Petitesse. Denn im Grunde lässt es sich nur so rechtfertigen, dass Kanzleramtschef Peter Altmaier auch den Wahlkampf der Union programmatisch vorbereiten soll.

Es gibt nämlich ein Verfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 1977, das an eine solche Doppelfunktion eine klare Forderung stellt: Ein Regierungsamt darf nicht mit einer Parteitätigkeit vermengt werden. Dieses Prinzip wird von Gerichten mitunter sehr eng gesehen - so verlor Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (LINKE) im vergangenen Jahr einen Prozess vor dem dortigen Landesverfassungsgericht: Erfurter Regierungsstellen hatten ein Interview mit dem Ministerpräsidenten, in dem sich dieser kritisch über die rechtsradikale NPD geäußert hatte, über die offiziellen Accounts der Staatskanzlei auf Internetplattformen verbreitet - laut Gericht eine »Nutzung amtlicher Kommunikationswege«.

Aktuell muss sich in ähnlicher Sache Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) mit dem Bundesverfassungsgericht auseinandersetzen: Sie hatte sich 2015 in einer über ihr Ministerium verbreiteten Mitteilung gegen eine Demonstration der AfD ausgesprochen. Die Rechtspartei hat diesbezüglich schon eine Eilverfügung durchgesetzt; nun will Karlsruhe im Hauptverfahren prüfen, ob hier die Grenze zwischen Parteipolitik und Regierungsamt überschritten wurde.

Altmaier wird nun kaum den Fehler machen, die von ihm erarbeitete CDU-Programmatik über Regierungskanäle zu verbreiten. Dennoch bleibt seine Doppelrolle etwas als prekär: Wie will der getreue Knappe von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicherstellen, dass er nicht als Regierungsmitglied, sondern nur als CDU-Mitglied die Partei programmatisch durch den Wahlkampf lotst? Dass er dafür tatsächlich keinerlei Kanzleramtsressourcen nutzt? Dass also in seiner Doppeltätigkeit eben keine »Verquickung von Regierungsamt und parteipolitischer Betätigung« vorliegt, wie nicht nur der FDP-Politiker und Jurist Wolfgang Kubicki schon vorab kritisch moniert? Ist dafür bereits ausreichend dadurch gesorgt, dass er für seine Wahlstrategenrolle ein Büro in der Parteizentrale erhalten wird? Werden SPD-Politiker der Koalition, die sich mit Altmaier auseinandersetzen, mit dem Kanzleramtsmacher oder dem Wahlmanager sprechen?

»Ich finde es hochproblematisch, wenn Wahlkampf und zentrale Regierungskoordination miteinander vermengt werden«, sagt SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Der SPD-Haushälter Carsten Schneider sagt, Altmaier könne nicht zugleich »ehrlicher Makler« der Koalition und Programmstratege der CDU sein.

Rechtlich ist eine solche Doppelrolle durchaus zulässig, sofern die beiden Tätigkeiten sauber getrennt werden. Unter diesen Bedingungen könnte Merkel das Programm auch selbst verfassen. Dass amtierende Minister auch Beiträge zur Programmatik leisten, ist an sich auch nicht ungewöhnlich - wenngleich die Kampagnen zumeist von Parteifunktionären orchestriert werden, im Fall der SPD etwa von Barley.

Was der Doppelpersonalie Altmaier Aufmerksamkeit verschafft, ist erstens, dass sich seine Berufung zum Inhaltskoordinator als ein Vertrauensentzug für Generalsekretär Peter Tauber verstehen lässt, der einst als Modernisierer angetreten war - und dass Altmaier im Januar Meldungen, nach denen er den CDU-Wahlkampf führen sollte, zurückgewiesen hatte. Ob der Schritt politisch klug ist angesichts von Stimmungen, die Parteien machten sich den Staat zur Beute, ist eine andere Frage.

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