Birgit Mahnkopf: »Politik der organisierten Lüge«

Die Berliner Politikwissenschaftlerin Birgit Mahnkopf hält grünen Kapitalismus für unmöglich

Birgit Mahnkopf forscht seit vielen Jahren zur Verknüpfung von Natur- und Gesellschaftsverhältnissen.
Birgit Mahnkopf forscht seit vielen Jahren zur Verknüpfung von Natur- und Gesellschaftsverhältnissen.

Die grüne Wende des Kapitalismus scheitert gerade. Viele erklären das mit den Wahlsieg rechter Parteien, die jede Klimapolitik bekämpfen. Sie haben auf der Konferenz »Monster verstehen« der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine andere Erklärung für das Scheitern gegeben.

In der Tat. Ein »grüner Kapitalismus« ist unmöglich, weil Kapitalismus auf unbegrenzter Akkumulation beruht und deshalb ausbeuterisch gegenüber der menschlichen und nichtmenschlichen Natur sein muss. Was heute vorangetrieben wird, ist deshalb keine ökologische Wende, sondern der Zubau einer Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen. Wir verbrauchen – v.a. für digitale Technologien – mehr Energie denn je, und dieser zusätzliche Bedarf soll jetzt vermehrt aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Doch erstens geht es mit den fossilen Energien für den normalen Bedarf weiter, und zweitens kommen zum Klimawandel jetzt auch noch die ökologischen Verheerungen des Bergbaus. Für Digitalisierung und erneuerbare Energien werden sehr viele Rohstoffe benötigt und diese werden häufig in tropischen Regionen mit hoher Biodiversität abgebaut. Das, was uns als ökologische Wende verkauft wird, bedeutet mehr und nicht weniger Zerstörung.

Interview

Birgit Mahnkopf ist Politik­wissen­schaft­lerin und emeritierte Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht.

Was hat die ökologische Krise mit der Ausbreitung faschistischer Bewegungen zu tun?

Das, was wir den Rechten zuschreiben, müssen wir auch über die Politik der Mitte sagen. Ich würde es mit Hannah Arendt als »Politik der organisierten Lüge« bezeichnen. Bei uns kommt diese Politik der Lüge in Kulturfragen weniger zur Geltung als in autoritären Staaten. Aber was die ökologische Transformation angeht, ist sie auch bei uns omnipräsent. Wir müssen uns nur anschauen, was auf den Klimakonferenzen geschieht: Seit Jahrzehnten ist es unmöglich, die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder zu unterstützen. Doch nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs ist es problemlos gelungen, 100 Milliarden Euro allein in Deutschland für die Rüstungsindustrie zu mobilisieren. Die Rechten lügen dümmer als die Mitte und beziehen andere Sphären der Gesellschaft mit ein. Aber in der ökologischen Frage kann ich kaum einen Unterschied zwischen den noch liberal regierten Demokratien des Westens und den autoritär regierten Staaten erkennen.

Sind die Wahlsiege der extremen Rechten nicht trotzdem dramatisch?

Gewiss. Aber ich würde dennoch die auf der Konferenz mehrfach geäußerte These unterstützen, dass es zwischen liberalem und autoritärem Kapitalismus keinen Bruch gibt. Voraussetzung für die Versöhnung von Demokratie und Kapitalismus im 20. Jahrhundert war nicht zuletzt die Ausbeutbarkeit der Natur. Jetzt, da dieses Produktionssystem in jeder Hinsicht an Ressourcengrenzen stößt – Wasser, Rohstoffe, Boden –, wird dieser Link aufgekündigt. Wenn es um Verwertungsschwierigkeiten und geopolitische Konfrontation geht, werden die liberalen »Werte« der Reichtumsaneignung wieder mit der harten Faust des Staates durchgesetzt. Man könnte es so zusammenfassen: An den Grenzen eines Systems ist immer zivilisatorischer Regress zu erwarten. Mit traditionellen Analysewerkzeugen, zum Beispiel dem Begriff einer Akkumulationskrise, die durch eine technologische Erneuerung überwunden werden kann, lässt sich die Lage sicherlich nicht mehr verstehen.

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