»Bannon will den Multilateralismus zerstören«
Dirk Messner über die Folgen des Dominanzanspruchs der Trump-Regierung in der Entwicklungspolitik
Nach dem ersten Jahr von Barack Obama äußerten Sie sich 2010 in der »Zeit« über die Lösung der globalen Probleme »vorsichtig optimistisch«. Wie ist ihre Stimmung nach dem angekündigten Kurswechsel von seinem Nachfolger Donald Trump?
Skeptisch. Das Programm der Trump-Regierung lautet: Our Country First (Unser Land zuerst) - in einer Welt globaler Interdependenzen führt das zu Politikblockaden oder Konflikten. Gebraucht werden gemeinsame, multilaterale Anstrengungen zur Lösung von Weltproblemen, die auf Fairness basieren: in der Klimapolitik, bei der Bekämpfung globalen Hungers, bei der Vermeidung von Steuerflucht und Geldwäsche. Der Dominanzanspruch der Trump-Regierung untergräbt den Multilateralismus, er wird aber paradoxerweise auch den Einfluss der USA schwächen. Das kann man bereits in der G20 beobachten. Die USA verhalten sich als Blockademacht und verlieren als Gestaltungsmacht.
Sind wir am Beginn einer neuen Ära des weltweiten Konkurrenzkampfes statt einer zunehmenden Kooperation?
Dirk Messner ist Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Über Entwicklungspolitik im Zeitalter der neuen Internationalen der Internationalisten sprach mit ihm für das »nd« Roland Bunzenthal.
Steve Bannon, strategischer Berater von Trump will den Multilateralismus »zerstören«, Putin bricht Völkerrecht, der britische Außenminister Boris Johnson schwadroniert über die »Befreiung« Großbritanniens von der EU. Es gibt eine neue Internationale der Nationalisten, die der Idee internationaler Kooperation den Kampf ansagen. Damit drohen Konflikte. Diese Herausforderung kann aber auch dazu führen, dass andere Länder und Akteure beginnen, enger zu kooperieren. Die Weltordnung steht an diesem Kipppunkt. Deutschland, die EU, aber auch Schwellen- und Entwicklungsländer könnten Zeichen für ein 21. Jahrhundert setzen, das auf globaler Zusammenarbeit basiert.
Wie beurteilen Sie die direkten Folgen der Etatkürzungen für den Rest der Welt?
Dass die Trump-Regierung die Mittel für Diplomatie, Entwicklungszusammenarbeit und die UN massiv kürzt und die Ausgaben für das Militär stark erhöht, schwächt die weltpolitische Rolle der USA. Europa könnte, zum Beispiel in der Entwicklungs-, Klima-, UN-Politik diese Lücken schließen. Was wir sicher nicht brauchen, ist ein Rüstungswettlauf zwischen den USA, Russland, China. Statt dessen sollten wir Kräfte bündeln, um die globalen Nachhaltigkeitsziele und das Pariser Klimaabkommen umzusetzen. Entwicklung, Reduzierung von Armut und Ungleichheit und die Stärkung der Teilhabemöglichkeiten der Bevölkerung, Stärkung des Multilateralismus, sind zentrale Elemente einer klugen Sicherheitspolitik. Trump und Putin bewegen sich hier gemeinsam in die falsche Richtung. Das ist gefährlich für den Rest der Welt.
Wie beurteilen Sie die Praxis der US-amerikanischen Entwicklungszusammenarbeit?
Es gibt viele sehr gute Vorhaben, im Bereich der Gesundheitspolitik, der Bildungspolitik. Ein großer Teil der Zusammenarbeit fließt in Länder, die geostrategisch wichtig sind. Für die Entwicklungspolitik und internationale Zusammenarbeit gilt insgesamt: Wir müssen lernen, in einer Welt wechselseitiger Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten in Kategorien eines Weltgemeinwohls zu denken. Ohne eine Stabilisierung der globalen Grundlagen menschlicher Zivilisation - des Erdsystems, der Weltwirtschaftsordnung, globaler Vorsorge für Bildung und Gesundheit - wird das 21. Jahrhundert das Jahrhundert von Globalisierungskrisen. Das klingt vielleicht idealistisch - ist aber der neue Realismus. Naiv und gefährlich ist es, mit Trump und Putin an die Segnungen des Nationalismus zu glauben.
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