Berlin übernimmt erstes Flüchtlingsheim in Eigenregie

Hamburger Rembert Vaerst ist Leiter des landeseigenen Betriebs / Zwei weitere Unterkünfte folgen noch im April und Mai

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Mittwoch betreibt das Land Berlin ein Flüchtlingsheim in Eigenregie. Der im Februar gegründete landeseigene Betrieb hat die Gemeinschaftsunterkunft in der Maxie-Wander-Straße in Hellersdorf übernommen, die seit August von Prisod (Private Soziale Dienste) übergangsweise betrieben wurde, nachdem das Land der Pewobe als Betreiber gekündigt hatte. Noch im April und im Mai sollen zwei weitere Unterkünfte in der Wassersportallee in Grünau und in der Venusstraße in Altglienicke folgen.

Rot-Rot-Grün hatte Anfang des Jahres beschlossen, drei Flüchtlingsheime selbst zu betreiben, um in Notsituationen schneller und flexibler reagieren zu können. Die Unterkünfte sollen Platz für bis zu 700 Menschen bieten.

Der Senat reagiere damit auf die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren, sagt Eva Henkel, Sprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen. »Ein landeseigener Betrieb bietet einen großen strategischen Vorteil.« Denn: Der Betrieb von Flüchtlingsunterkünften muss in der Regel ausgeschrieben werden. Das Vergabeverfahren dauert aber, eine kurzfristige Belegung ist daher kaum möglich. Berlin hatte unter anderem deswegen jahrelang keine Asylheime ausgeschrieben. Der Versuch, die Praxis einzuführen, scheiterte im vergangenen Jahr erneut: Mitbewerber klagten gegen die Ausschreibungen, die zurückgezogen werden mussten. Daraufhin standen fertige Unterkünfte zum Teil leer, da kein Betreiber beauftragt werden konnte.

»Wir waren praktisch lahmgelegt«, sagt Henkel. Daraufhin habe der Senat zwei Maßnahmen ergriffen: Betreiber wurden übergangsweise per Direktvergabe eingesetzt. Dabei berief sich der Senat auf eine aktuelle Notlage im Rahmen des Polizeigesetzes (ASOG).

Die zweite Maßnahme war der landeseigene Betrieb. Beim Aufbau helfen sollen Mitarbeiter des Hamburger Eigenbetriebs »fördern und wohnen«. Dessen kürzlich pensionierter Geschäftsführer Rembert Vaerst soll gemeinsam mit 30 Sozialarbeitern aus Hamburg vorerst für ein halbes Jahr aushelfen. Vaerst stand »fördern und wohnen« neun Jahre lang vor. Ende Dezember wurde er in den Ruhestand verabschiedet.

In Hamburg leben derzeit rund 32 500 Menschen in Flüchtlingsunterkünften. Die meisten werden von »fördern und wohnen« betrieben. Im Herbst 2015 überstieg auch in der Hansestadt die Zahl der neu ankommenden Geflüchteten die Zahl der vorhandenen Plätze in Notunterkünften, und die Menschen schliefen teilweise in Zelten. In einem offenen Brief prangerten die Mitarbeiter des landeseigenen Betriebs damals den Zustand in den Unterkünften als »Verstoß gegen geltende Auflagen und gesetzliche Vorschriften« an, wie Zeitungen berichteten. Die Mitarbeiter forderten von der Stadt, sofort 10 000 neue geförderte Wohnungen zu bauen. Als Sofortmaßnahme verabschiedete Mitte Oktober der in Hamburg regierende rot-grüne Senat das »Gesetz zur Sicherung der Flüchtlingsunterbringung in Einrichtungen«. Das ermöglichte die Beschlagnahme leer stehender Gewerbeimmobilien für die Unterbringung von Geflüchteten. Kurz darauf wurde ein leerstehender Baumarkt zur Notunterkunft umgewidmet. »Fördern und wohnen« übernahm Einrichtung und Betrieb.

Der schnelle Anstieg benötigter Heimplätze ließ auch die Ausgaben von »fördern und wohnen« schnell ansteigen. Seit 2015 nahm der Betrieb daher Kredite in dreistelliger Millionenhöhe auf, heißt es in der Antwort des Hamburger Senats auf eine parlamentarische Anfrage der dortigen CDU-Fraktion. Das Unternehmen müsse allein in diesem Jahr 332 Millionen Euro Schulden an Banken zurückzahlen.

Für den Flüchtlingsrat Berlin stellen sich im Zusammenhang mit dem neuen landeseigenen Betrieb noch viele Fragen, sagt Katharina Müller dem »nd«, darunter diese: »Wer kontrolliert die Einhaltung der Standards? Was passiert bei Mängeln? Beschwert man sich dann beim Land Berlin über das Land Berlin?«

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