Unverhüllte Offensive
Bundeskanzlerin vereinbart Militärausbildung saudischer Soldaten
Zunächst waren es äußerliche Botschaften, um die es beim Besuch der deutschen Bundeskanzlerin am Wochenende in den Golfmonarchien Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate ging: Die Kanzlerin trug kein Kopftuch. Die Rechte der Frauen nahmen einen äußerlich großen Stellenwert bei den Gesprächen ein - in Dschidda, saudische Küstenstadt am Roten Meer, wie auch in Abu Dhabi, Hauptstadt des gleichnamigen Emirats und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Noch vor zwei Jahren sei das bei einem Besuch des damaligen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel anders gewesen, berichtete Angela Ulrich für den Hörfunk. Da seien die Frauen der Delegation von Botschaftsmitarbeitern auf dem Flughafen mit einer Wäschekorb voller langer schwarzer Umhänge begrüßt worden - zum Aussuchen.
Der Einsatz für die Frauenrechte hatte Angela Merkel jedoch nicht an den Golf geführt, auch wenn Schlagzeilen in Deutschland dies nahelegten. In erster Linie galt der Besuch in beiden Ländern dem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen, begleitet wurde Merkel von einer vielköpfigen Wirtschaftsdelegation. In erster Linie ging es bei den Gesprächen mit König Salman und Kronprinz Mohammed bin Sajed al-Nahjan in Abu Dhabi um die Interessen der Beteiligten in den krisenhaften Entwicklungen der Region.
Die Emirate gelten trotz ihrer geringen Einwohnerzahl von etwas mehr als neun Millionen zu den wichtigsten Handelspartnern für Deutschland. 900 deutsche Firmen sind aktiv, 600 davon im Emirat Dubai. Im Vorfeld des Besuchs kündigten die Emirate an, sie wollten in der Flüchtlingshilfe und beim Kampf gegen die Armut mit Deutschland zusammenarbeiten. »Die VAE sind, pro Kopf gerechnet, der größte Geber weltweit und Deutschland ist auf diesem Gebiet auch sehr aktiv«, sagte der Botschafter der Emirate in Berlin, Ali Abdullah al-Ahmed, der Deutschen Presse-Agentur. Sein Land sehe deshalb neue Möglichkeiten für eine Kooperation. Al-Ahmed riet zur Wachsamkeit gegenüber radikalen islamischen Predigern in Deutschland. »Es ist sehr wichtig, dass man darauf achtet, welche Art von Botschaft Prediger in der Moschee in Europa an die Einwanderer weitergeben«, sagte er.
Der brisantere der beiden Staatsbesuche war zuvor der in Saudi-Arabien gewesen. Nicht wegen der verheerenden Menschenrechtslage in dem nach streng islamisch-wahhabistischen Glaubensgrundsätzen regierten Land. Für großes Aufsehen sorgt weltweit der Fall des Bloggers Raif Badawi, der wegen Beleidigung des Islams zu 1000 Peitschenhieben verurteilt wurde. Brisant war der Besuch vor allem wegen der Vereinbarung einer Ausbildung saudi-arabischer Soldaten in Einrichtungen der Bundeswehr. Zudem wurde eine Absichtserklärung zur polizeilichen Zusammenarbeit signiert, auch Grenzschützer sollen ausgebildet werden.
Riad sei ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus und den IS, sagte Merkel. Dass Deutschland sich mit der Schulung von Militär aber nicht nur zur Bekämpfung des Islamischen Staats bekennt, sondern indirekt auch die Position Riads in Jemen unterstützt, sagte die Kanzlerin nicht. Dafür stimmte Riad Merkel darin zu, dass Deutschland als Vermittler im Konflikt in Jemen wirken könne. »Wir glauben nicht, dass es eine militärische Lösung dieses Konfliktes geben kann«, wurde Merkel zitiert. Es müsse verhindert werden, dass noch mehr Menschen im bitterarmen Jemen in eine »ausgesprochen schlechte humanitäre Situation« kämen.
Das ist sehr freundlich formuliert. Eine arabische Militärkoalition unter Führung Saudi-Arabiens bombardiert seit mehr als zwei Jahren Stellungen der schiitischen Huthi-Rebellen. Dabei sterben so viele Zivilisten, dass sogar die USA schon die Luftangriffe einzustellen verlangten. Saudi-Arabien sei hier aber nicht der einzige Akteur, der Kompromisse eingehen müsse, zeigte sich die Kanzlerin verständnisvoll. Besonders irritierend in dem Zusammenhang ihr Satz: »Wir können nicht überall auf der Welt deutsche Soldaten haben, aber wir können sehr wohl unser Know-how weitergeben.« Immerhin kann Merkel hoffen, dass ein ständiger Anlass zur Kritik am bilateralen Verhältnis entfällt. Riad wolle keine Waffen mehr aus Deutschland kaufen, hatte es kurz vor dem Staatsbesuch geheißen. Merkel zeigte sich erfreut. »Wir haben sehr strikte Richtlinien für den Export von Waffen. Das hat in der Vergangenheit durchaus zum Teil zu Situationen geführt, in denen Saudi-Arabien unsere Motive nicht immer verstanden hat.« Vize-Wirtschaftsminister Al-Tuwaidschri hatte mit der Mitteilung überrascht: »Wir akzeptieren die deutsche Zurückhaltung, was Exporte nach Saudi-Arabien angeht, wir kennen die politischen Hintergründe.« Die Beziehungen zu Deutschland seien »sehr viel wichtiger als der Streit um Waffenexporte«. Mit Agenturen
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