Highway zur Hölle

Christoph Ruf über die Abstiege von Vereinen wie dem Karlsruher SC und den Niedergang der Traditionsklubs

Die Saison 2016/2017 neigt sich dem Ende zu. Sie könnte als Spielzeit in Erinnerung bleiben, in der sich erstaunlich viele Traditionsvereine verabschiedet haben. Grund genug, nach Gründen für eine Entwicklung zu suchen, die man nur dann gut finden kann, wenn man in Fußballvereinen Investitionsobjekte mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit sieht.

Es gibt Gründe, den Übergang zwischen der zweiten und der dritten Liga als Schwelle zwischen dem hochkommerzialisierten Fußball und dem etwas weniger gepamperten zu sehen. 11,5 Millionen Euro hätte der Karlsruher SC in der kommenden Saison aus dem Fernsehgeldtopf in Liga zwei kassiert, eine Spielklasse drunter werden es nur 800 000 Euro sein. Unter den Gefällen ist das die Eiger Nordwand. Die Frage ist nun, warum es den KSC erwischt hat und warum mit 1860 München der nächste Traditionsverein beste Chancen hat, ihm als Absteiger nachzufolgen. Die Frage, warum ein Verein wie die Löwen über Jahre immer wieder Millionen von Schulden anhäuft, die ist natürlich schon spannend. Ziemlich sicher hat sie mit den Erwartungshaltungen zu tun, die im so genannten »Umfeld« eines Vereins herrschen - also bei den Fans, den Mitgliedern und nicht zuletzt den Sponsoren. 1860 war Deutscher Meister, hat jahrelang international gespielt. Ein Verein, der solch eine Vergangenheit im Kreuz hat, braucht schon charakterstarke Funktionäre, wenn er den Fans vermitteln muss, dass sie sich in absehbarer Zeit mit Mittelmaß abzufinden haben.

Das gleiche Drama beim Karlsruher SC, der seit Sonnabend auch rechnerisch als erster Absteiger feststeht. Millionen wurden hier zwar nicht verschleudert, und es gibt auch keinen jordanischen Investor. Aber ohne die Millionen eines reichen Karlsruher Unternehmers, der die horrenden Verbindlichkeiten mit seinen Darlehen absichert, wäre auch der KSC längst komplett untergegangen. So geht es immerhin in der Dritten Liga weiter, wobei Spiele gegen die Sportfreunde Lotte und Sonnenhof Großaspach (die heißen wirklich so) für viele KSC-Fans dem Untergang schon ziemlich nahe kommen.

Doch genau darin liegt das Problem. Auch im Karlsruher Umfeld ist ein Ereignis noch präsenter als es sein dürfte, das sich tief in der Kanzlerschaft von Helmut Kohl ereignete: Der 7:0-Sieg gegen den FC Valencia, 1993, bei dem eine wie entfesselt spielende Karlsruher Mannschaft im Europapokal über sich hinauswuchs. Ein Jahr später heuerte mit Icke Häßler ein veritabler Weltmeister beim KSC an und prägte vier Jahre lang das Gesicht einer Mannschaft, die phasenweise wirklich begeisternden Fußball spielte. Dass so etwas Fanmentalitäten prägt, ist ebenso klar wie die Tatsache, dass jeder Manager und jeder Trainer, der einen solch geringen Etat zu verwalten hat, wie ihn der KSC zuletzt hatte, an diesem Anspruch scheitern muss.

Tradition kann also auch Ballast sein, zumindest insofern, als ein Traditionsverein mutige Funktionäre braucht, die den Fans die Wahrheit darüber sagen, wie schwer es ist, in Ligen zu bestehen, in denen Emporkömmlinge nach oben offene Budgets haben und auch strukturell alles auf eine weitere Spreizung hin ausgerichtet ist. Wer in der Champions League spielt, wird mit Millionen überspült, wer in die zweite Liga absteigt, sollte möglichst nach einem Jahr wieder aufsteigen, weil ihm ansonsten das Schicksal von Vereinen wie Nürnberg oder Kaiserslautern droht, die mit ihren schmalen Budgets kaum noch wettbewerbsfähig sind. Und wer in die dritte oder gar die vierte Liga absteigt, der ist als Traditionsverein den Highway zur Hölle bis zu Ende gefahren.

Das spüren schon Vereine mit allenfalls lokaler Strahlkraft wie der FSV Frankfurt, der in Hessen stets ein Randdasein fristete, aber zu den großen alten Namen des westdeutschen Fußballs gehört. Trotz eines Minietats und obwohl man auch in der zweiten Liga nicht mit den Millionen um sich schmiss, ist man pleite. Der DFB hat bereits einen Neun-Punkte-Abzug verhängt: Der FSV ist somit hoffnungsloses Schlusslicht in Liga drei.

Eine Klasse tiefer geht es erst richtig los. Zu den Vereinen, die Insolvenz angemeldet haben, die kurz davor stehen oder die sich aus Kostengründen freiwillig zurückziehen, gehören die Sportfreunde Siegen, Alemannia Aachen und Hessen Kassel. Allesamt große Namen. Für die Aufstiegsrunde in die Dritte Liga haben sich am Wochenende hingegen Viktoria Köln und der SV Elversberg qualifiziert, zwei Vereine, die ohne die Unterstützung eines einzelnen Gönners nur in den Ergebnisspalten der Regionalpresse vorkämen.

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