Protest gegen Trump, AfD und Co.: Allgemeine Feigheit

Mit Blick auf die USA unter Trump fragt Christoph Ruf nach einem Bollwerk gegen rechte Kräfte

Ein Mann trägt eine Mütze, auf der »Make Germany Great Again«, in Anlehnung auf dem Wahlspruch des US-Präsidenten Trump, steht.
Ein Mann trägt eine Mütze, auf der »Make Germany Great Again«, in Anlehnung auf dem Wahlspruch des US-Präsidenten Trump, steht.

In der neuen Ausgabe meiner Lieblings-Musik-Gazette »Deaf Forever« stand nicht zum ersten Mal ein bemerkenswertes Vorwort. Es hätte auch in einer Kunst-, Fußball- oder Kochzeitschrift stehen können, fürchte ich. Vorausgesetzt, es würden dort solch wache Geister arbeiten wie Götz Kühnemund. Der stellte in den vergangenen Monaten fest, dass immer mehr Bands aus den USA herumeiern, wenn sie nach Trump und den Zuständen in den USA gefragt werden. Das kannte er bislang nur von russischen Bands, wenn die Rede auf »Putin« oder »Krieg« kam.

Natürlich schweigen nicht die amerikanischen Redneck-Bands, die gerade recht zufrieden sind. Sondern die, von denen man weiß, dass sie auf der richtigen Seite ... ja was nun? »Stehen« tun sie auf der richtigen Seite jedenfalls nicht mehr: »Die Feinde sind dabei oft diejenigen, die ursprünglich mal im gleichen Boot gesessen haben, die ähnliche Worte geteilt haben, die aber nun in vorauseilendem Gehorsam ihr Fähnchen in den Wind hängen und opportunistisch eigene Vorteile suchen«, liest man. Und schwupps hat man innerhalb weniger Wochen einen Paradigmenwechsel, für den es anderorten eine blutige Revolution gebraucht hätte: »Diejenigen, die ›spalten‹ und ›für Unfrieden sorgen‹«, schreibt Kühnemund, »sind auf einmal nicht mehr diejenigen, die die Lebensentwürfe anderer, die sie nicht das Geringste angehen, entwerten und zerstören wollen – sondern diejenigen, die den Angegriffenen beistehen und den Mut haben, eine Haltung zu zeigen.« Auch SA, SS und das andere Pack, wären ohne »die feige, bequeme Masse« nie so weit gekommen. Eine Erkenntnis, die mich im Übrigen arg am Mantra zweifeln lässt, wonach »die Mitte« das einzige Bollwerk gegen die AfD sei.

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.

Was dort wächst und gedeiht, ist meines Erachtens oft nur eine folgenlose Gratis-Moral. Da wird dann gerne von »Werten« geredet, was letztlich nicht viel mehr heißt, als »Bitte« und »Danke« zu sagen und an Heiligabend in die Kirche zu gehen. Im linksliberalen Spektrum kauft man sich bei »Alnatura« frei und zeigt die richtige Gesinnung, indem man schon bei der Gesprächseröffnung seine Empörung über Trump und die AfD zeigt. Wobei das durchaus Ausdruck von Zivilcourage sein kann. Aber nur dann, wenn man AfD-Leute statt Gleichgesinnter um sich hat.

Ich bin dann auch ziemlich sicher, dass auch hierzulande schnell Friedhofsruhe herrschen würde, wenn Alice Weidel an die Macht käme. Wenn man beispielsweise sieht, wie viele Lehrerinnen und Lehrer davor zurückschrecken, sich zu positionieren, ist das grotesk. Erkennbare Proteste gegen kaputtgesparte Kitas und Schulen gibt es nicht. Wer nach dem Warum fragt, hört oft den Hinweis auf Direktorin oder übergeordnete Behörde. Wohlgemerkt von Menschen, die dank Beamtenstatus unkündbar sind.

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