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Kriegerisches Raunen zur Osterzeit
Christoph Ruf fragt, ob es denn wirklich mehr Geld für Rüstung brauche
Vor ein paar Wochen wurde in der »Süddeutschen Zeitung« ein Leserbrief abgedruckt, den ich höchst interessant fand. Zum einen, weil mir die Formulierung »bellizistisches Raunen« gefiel, zum anderen, weil er mir bis dato unbekannte Argumente enthielt. So ein »bellizistisches Raunen« attestierte der Absender großen Teilen der hiesigen Presselandschaft. Zurecht, wie ich finde.
Es gilt ja seit einigen Wochen als einigermaßen gesicherte Tatsache, dass Wladimir Putin, den selbstredend auch ich für ein Riesen-Arschloch halte, nicht nur das Baltikum, sondern eigentlich auch bald Warschau, Berlin, Korschenbroich und Brügge überfallen will. Das fände ich eine eher traurige Perspektive, bin aber so lange noch nicht bereit, in meinem Karlsruher Keller nachzuschauen, ob der Iwan sich dort schon eingenistet hat, bis mir Beweise oder zumindest Indizien für Wladimirs teuflische Pläne geliefert werden.
Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.
In anderen Kellern sieht es offenbar anders aus, schließlich konnte man in den Ostertagen kaum eine Zeitung lesen, ohne dass dort irgendein Politiker wortreich begründete, warum es noch ein paar Milliärdchen mehr für die Rüstung brauche. Unter anderem, um sich nicht länger von US-Präsident Donald Trump auf der Nase herumtanzen lassen zu müssen, der ja fordert, dass Europa viel mehr in die eigene Rüstung steckt. Haben Sie den logischen Fehler entdeckt? Dann haben Sie der deutschen Politik etwas voraus.
Trump hingegen haben Sie nichts voraus. Der sagte auch schon öffentlich über die Europäer, dass sie ihm wie willfährige Vasallen gegenüberträten. Okay, er hat das Trump-mäßiger gesagt: »They kiss my ass«. Gemeint war deren Winseln um bessere Zolltarife.
Aber auch in Sachen Rüstung macht Europa genau das, was Trump will. Allen voran natürlich Deutschland, das künftig offenbar auch Taurus-Raketen an die Ukraine liefern will. Das freut auch die üblichen Verdächtigen von den Grünen, die außenpolitisch einen enormen Reifeprozess hinter sich haben. Die schwarz gefleckten Salatblätter, die ich gestern weggeschmissen habe, waren schließlich auch mal grün.
Dass sich dem »bellizistischen Raunen« die angestaubten Rocker von Campino bis zum ungleich sympathischeren Wolfgang Niedecken anschließen, versteht sich von selbst. Und auf Spiegel-Online darf auch ein Pfaffe erklären, dass selbst Jesus (»verbietet den Menschen nicht, sich zu verteidigen«) voll für Taurus wäre. Offenbar hatte der fromme Mann kurz zuvor mit dem Langhaarigen aus Nazareth telefoniert, sonst wüsste er ja nicht, dass im Himmel die Bergpredigt gerade gecancelt wurde.
Nun also zu den Fakten, die der kluge Leserbriefschreiber unter Berufung auf Greenpeace-Zahlen vom vergangenen November nannte: Demnach investiert die Nato 1,19 Billionen Dollar gegenüber 127 Milliarden Dollar Russlands in die Armee und die militärische Aufrüstung, die Nato hat mehr als drei Millionen Soldaten und damit weit mehr als doppelt so viele wie Russland. Und sie hat Anton Hofreiter, der schon vor zwei Jahren einen klugen Satz gesagt hat: »Je mehr Waffen wir liefern, desto schneller endet der Krieg«. Von Tarnfleck-Toni war in den vergangenen Tagen allerdings erstaunlicherweise wenig zu hören. Möglicherweise gibt’s im Schützengraben keinen Empfang.
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