Talfahrt der Rohstoffpreise

Trotz einer spürbaren Erholung bleibt die Lage am Markt für Bodenschätze labil

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Hohe Preise sind für Verkäufer gute Preise. Über ein Jahrzehnt lang profitierten vor allem Schwellenländer von steigenden Preisen für Indus-trierohstoffe und Kohle, für Palmöl und Rindfleisch. Der wirtschaftliche Aufstieg von Brasilien und Argentinien, Elfenbeinküste und Nigeria, selbst von Polen, Russland und China war eng an die Preisentwicklung einiger Rohstoffe geknüpft. Zugleich hatte die steigende Nachfrage aus dem aufstrebenden China und anderen Schwellenländern vor allem in Asien den Boom ausgelöst. Der Ausbau der Schwerindustrie und die Urbanisierung verschlangen beim Bau von Fabriken, Häusern und Straßen massenhaft Rohware.

Goldgräberstimmung auf der einen Seite, Sorgen auf der anderen: Die Versorgungssicherheit der deutschen Wirtschaft sei gefährdet, warnten Politiker und Konzernlobbyisten. Investmentbanken befürchteten eine Preisexplosion.

Es kam anders: »Etwa seit 2011 befinden sich die Preise vieler maßgeblicher Rohstoffe im Abwärtssog«, analysiert die Fachzeitschrift »Wirtschaftsdienst«. Industrierohstoffe begaben sich auf stetigen Abwärtskurs, die Nahrungs- und Genussmittelpreise sanken und auch für Energierohstoffe zeigte der Trend nach unten. Für Länder wie Brasilien, dessen Wirtschaft nach wie vor vom Export von Soja, Fleisch und Öl abhängt, eine Katastrophe. Der größte Rohstoffboom seit 1900 dürfte vorbei sein, denn die Wachstumszahlen in Asien haben sich normalisiert. Die rohstoffintensiven Industrien werden nach und nach abgelöst von modernen Fertigungstechniken und der Produktion von Dienstleistungen.

Für Multis wie Shell, Glencore oder Freeport McMoran sind das schlechte Nachrichten. Schließlich hatten sie eine klassische Überproduktionskrise verursacht.

Noch bis zum Rohstoffboom in den 2000er Jahren war eine schwankende Nachfrage durch vorhandene Minen, Anbauflächen und Förderstätten befriedigt worden. Das hielt die Preise relativ gering. In Erkundung und neue Förderung wurde wenig investiert. Die Konzerne, darunter auch der deutsche Kaliriese K+S, schöpften hohe Gewinne ab. Doch infolge des Rohstoffbooms schien mehr drin zu sein. Die Konzerne investierten riesige Summen in neue Förderaktivitäten und den Aufbau neuer Produktionsanlagen. Die auf dem Markt angebotenen Mengen stiegen deutlich an. »Dabei wuchs das Angebot in vielen Rohstoffsektoren deutlich stärker als die Nachfrage«, analysiert das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). Und auch als die Preise einbrachen - Kupfer um 20 Prozent, Eisenerz um 40 und Öl um über 50 Prozent -, wurden aufgrund der langen Investitionszyklen noch weitere Förderstätten eröffnet. Der Rohstoffsektor sei ein »sehr träger Wirtschaftszweig«, so das HWWI. Anlaufzeiten für Produktionsanlagen sind lang und Investitionen werden auf Jahrzehnte angelegt.

Der weltgrößte Rohstoffhändler Glencore, der im Schweizer Steuerparadies Zug residiert, stand 2015 mit einem Verlust von 8,1 Milliarden Dollar nah am Abgrund. Aber inzwischen haben die Konzerne ihre Förderung zurückgeführt, Minen geschlossen, viele Arbeiter entlassen. Ergebnis: Glencore und andere Bodenschatzkonzerne wie Rio Tinto und BHP Billiton melden für das vergangene Jahr wieder Gewinne. Selbst die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) hat in lange vermisster Gemeinsamkeit die Ölförderung gedrosselt - die Preise scheinen sich zu stabilisieren.

Zumal in diesem Frühjahr die Konjunkturerwartungen für China deutlich steigen. Und der vor wenigen Tagen veröffentlichte Containerumschlag-Index des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung weist auf einen kräftigen Anstieg des Welthandels hin. Doch selbst wenn sich dieser Aufwärtstrend verstetigen sollte, dürfte die steigende Nachfrage nicht ausreichen, um das Überangebot an Rohstoffen aufzunehmen. Die Lage bleibt also labil. Das HWWI meldete im April eine erneute Trendwende: Der Rohstoffpreisindex des Instituts war zum ersten Mal nach längerer Zeit wieder gefallen.

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