Die Truppe schießt zurück

Bundeswehrverband kontert die Kritik der Verteidigungsministerin am »falsch verstandenen Korpsgeist«

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein rechtsradikaler Offizier mit irren Anschlagsplänen und immer wieder Medienberichte über Schikanen bei der Ausbildung: Die Bundeswehr kommt nicht aus den Schlagzeilen. Nun gibt es auch noch Streit zwischen der Verteidigungsministerin und dem Bundeswehrverband. Grund dafür sind Äußerungen von der Leyens im Zusammenhang mit der Verhaftung des Offiziers Franco A., der sich als syrischer Flüchtling registrieren ließ, Anschlagslisten führte und eine Schusswaffe auf dem Wiener Flughafen deponierte. Als politisch verantwortliche Ministerin trat von der Leyen die Flucht nach vorn an und attestierte der eigenen Truppe am Wochenende »Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen«. Zudem prangerte sie den »falsch verstandenen Korpsgeist« in der Bundeswehr an, denn offenbar wussten die Vorgesetzten von Franco A. um dessen rechtsradikale Gesinnung.

Doch die Kritik von ganz oben kam weiter unten weniger gut an. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, gab sich am Dienstag empört: »Es ist auf jeden Fall sehr ungewöhnlich, dass sie sich nach dreieinhalb Jahren in der Verantwortung plötzlich auf die Tribüne setzt und über die Mannschaft am Platz urteilt«, sagte Wüstner im ARD-Morgenmagazin.

Wüstner, Oberstleutnant und Streitkräfte-Lobbyist in einer Person, verwies auf mehr als 100 SMS und Mails, die nach den Äußerungen der Ministerin bei ihm eingegangen seien, »sogar aus den Einsatzgebieten, von Angehörigen und sogar von Bürgermeistern«. Sie alle könnten nicht nachvollziehen, »wie Frau von der Leyen zu dieser pauschalen Kritik kommt«. Wüstner zufolge habe bis heute niemand schriftlich zu den Vorfällen in Pfullendorf und an anderen Standorten Stellung bezogen, »so dass die Truppe nachvollziehen könnte, warum dort überhaupt Soldatinnen und Soldaten versetzt oder entlassen worden sind«. In der Staufer-Kaserne Pfullendorf soll es nach Medienberichten zu sexuellen Übergriffen auf Soldatinnen gekommen sein. Da Pfullendorf kein Einzelfall war, entließ die Ministerin vor wenigen Tagen den Chef-Ausbilder der Bundeswehr, Generalmajor Walter Spindler. Zudem wurden einige Verantwortliche versetzt. In Einzelfällen gab es gar Entlassungen. Weil einige der Abgestraften erst aus der Presse davon erfahren haben, sieht Wüstner einen Vertauensverlust in der Truppe.

Schelte kommt auch vom ehemaligen Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat. Gegenüber der »Rheinischen Post« bezeichnete er die Vorwürfe der Ministerin als »sehr bedauerlich«. Sie seien das Gegenteil von Führungsverantwortung. »Ich frage mich, wie sie deren Achtung und Vertrauen wiedergewinnen will«, so Kujat.

Ein erster Schritt könnte das eilige anberaumte Treffen mit 100 militärischen Führungskräften sein, das am Donnerstag in Berlin stattfinden soll. Es diene der Aufklärung und dem Ausloten von Konsequenzen aus den angehäuften Fällen, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Dienstag. Bereits an diesem Mittwoch wolle von der Leyen mit Generalinspekteur Volker Wieker das französische Illkirch besuchen, wo der terrorverdächtige Bundeswehroffizier Franco A. mit seinem Jägerbataillon 291 stationiert war.

Der Streit um die Führungsverantwortung überlagert dabei das mit dem Fall Franco A. wieder offensichtlich gewordene Rechtstextremismusproblem der Truppe. Nach Angaben der Bundesregierung, die die Parlamentariern Ulla Jelpke (LINKE) angefordert hatte, geht der Militärische Abschirmdienst (MAD) derzeit 275 Verdachtsfällen rechtsextremer Delikte in der Bundeswehr nach. 143 Fälle stammten aus dem Jahr 2016, im laufenden Jahr seien bereits 53 neue Fälle verzeichnet worden.

Der jeder linken Gesinnung unverdächtige Historiker Michael Wolffsohn bescheinigt den Streitkräften ein strukturelles Problem. Seit der Abschaffung der Wehrpflicht sei die Bundeswehr »attraktiv für Extremisten jedweder Couleur«, sagte Wolffsohn dem Berliner »Tagesspiegel« vom Dienstag. Die Entscheidung sei verantwortlich dafür, dass dem Militär jetzt die »normalen« Bürger fehlten. »Und es hat die Dämme geöffnet für den Zustrom extremistischen Personals«, so der frühere Professor an der Münchner Bundeswehr-Hochschule. Er verwies darauf, dass die Streitkräfte nicht nur in Deutschland ein großes Personaldefizit hätten und »für Menschen mit Gewaltbereitschaft ein ideales Übungsfeld sind«.

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