Zu früh fürs Bilanzieren
Die Berlin Volleys glauben nach dem 3:1 gegen Friedrichshafen doch noch an den Meistertitel
Vital Heynen ist der Meister des Understatements. Der Ex-Trainer der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft betreut seit dem vergangenen Sommer den VfB Friedrichshafen. Und auch dort will er stets den Druck von der eigenen Mannschaft nehmen, indem er ihre Gegner starkredet. Manchmal werden daraus aber selbsterfüllende Prophezeiungen. »Wenn Berlin dieses Spiel gewinnt, dann auch die Meisterschaft«, hatte Heynen vor Finalspiel zwei am Mittwochabend um die deutsche Meisterschaft gegenüber »nd« vorausgesagt. Nun wird er hoffen, dass er falsch lag, denn die Berlin Volleys gewannen tatsächlich 3:1, glichen die Serie aus und erzwangen ein entscheidendes drittes Spiel.
Die erste Finalpartie hatten Heynens Spieler noch klar mit 3:0 für sich entschieden, nun verpassten sie die Chance, den Titel bereits in der Max-Schmeling-Halle klarzumachen. »Seit ich hier spiele, hat Friedrichshafen nie in Berlin die Meisterschaft feiern können. Das wollte ich auch heute unbedingt verhindern«, sagte Felix Fischer, der sein letztes Heimspiel für die BR Volleys mit einem Sieg und einer Dankesrede krönen durfte. Nach der Partie am Sonntag in Friedrichshafen beendet er seine Karriere.
Der Erfolg in Spiel zwei war jedoch hart erarbeitet. Fast 8000 Fans sahen zu Beginn eine von beiden Seiten nervös geführte, dadurch aber auch spannende Partie, in der die Gäste den ersten Satz mit 26:24 holten, die Berliner den zweiten dann ihrerseits mit 25:23. »Die beiden waren knapp. Genau das wollten wir. Aber danach war Berlin besser. Ganz einfach«, analysierte Heynen das Match, in dem die Hausherren in den Durchgängen drei und vier überlegen waren. »Unsere Stärke liegt im Zusammenspiel von Block und Feldverteidigung. Wenn Berlin es trotzdem so hochprozentig schafft, uns dort zu schlagen, dann gewinnen sie eben«, sagte Heynen trocken.
Der Australier Paul Carroll hatte dabei zwar erneut für die meisten Berliner Punkte (17) gesorgt, doch in Sachen Effizienz stach diesmal Außenangreifer Ruben Schott heraus. Das mit 1,92 Meter recht kleine Eigengewächs der Volleys machte nicht nur 15 Punkte, sondern trug zudem die Hauptlast in der Annahme. In Spiel eins war er nach vielen Unsicherheiten schnell ausgewechselt worden, so dass Heynen nun wieder bei mehr als der Hälfte aller 73 Aufschläge Schott als Ziel ausgab. Doch der leistete sich diesmal nur vier Fehler. »Er hat toll angenommen. Das ist seine Hauptaufgabe, und dann hat Ruben auch noch gezeigt, was für ein guter Angreifer er sein kann«, lobte Kapitän Robert Kromm den 22-Jährigen.
Vital Heynen zeigte sich trotz seiner taktischen Fehleinschätzung später unbeeindruckt: »Schott ist keine Überraschung für mich. Ich habe ihn schließlich einst in die Nationalmannschaft geholt«, sagte er. In den Monaten zuvor hatte der Belgier dem Rekordmeister neues Leben eingehaucht und die recht junge Mannschaft oft glänzend eingestellt. Als die Saisonstatistik gegen Berlin vor der Partie noch 5:0 stand, frohlockte er daher: »Wir haben eine ganz gute Saison gespielt, nicht wahr?!« Nach der Niederlage hatte er plötzlich keine Lust mehr aufs Ziehen einer Bilanz des ersten Bundesligajahres und ließ ungeahnte Gedächtnislücken erkennen. »Ich weiß schon gar nicht mehr, dass wir den Pokal gewonnen haben. Mich interessiert nur, dass wir am Sonntag Meister werden können. Alles andere ist vergessen.«
Berlins Manager Kaweh Niroomand will sein Fazit dagegen nicht vom letzten Spiel am Sonntag abhängig machen, obwohl es die letzte Chance auf einen Titel sein wird. »Daran hängt gar nichts. Wir haben eine tolle Saison gespielt, standen national in beiden Endspielen und waren in Europa unter den besten Vier. Ein Titel wäre schön. Wenn wir ihn nicht holen, schmeißt uns das aber auch nicht um«, sagte der Manager.
Robert Kromm glaubt mittlerweile wieder an die Chance auf die Meisterschaft, da der Druck nun auf dem Gegner laste: »Mal sehen, ob Friedrichshafen liefern kann. Bei einer Bilanz von 5:1 Siegen gegen uns rechnet dort doch jeder mit einem Heimsieg.« Jeder außer Vital Heynen natürlich, der jenen psychologischen Druck sofort wieder zurückgab, schließlich habe Berlin jetzt den mentalen Vorteil, »uns endlich mal geschlagen zu haben«, argumentierte der Meister des Understatements. Er werde einen Weg suchen, wie seine Mannschaft gewinnen könne. »Das ist meine Aufgabe als Trainer. Wenn Berlin aber wieder besser angreift als wir blocken, gewinnen sie noch mal.«
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