Gysi wünscht sich eine Trierer »Karl-Marx-Uni«

Linkenpolitiker fordert Würdigung des Philosophen und Ökonomen / Uni-Präsident dagegen: wegen der »Außenwirkungen«

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor 199 Jahren wurde Karl Marx in Trier geboren - auf die Idee, die dortige Universität nach dem berühmten Sohn der Stadt zu benennen, ist Gregor Gysi schon einmal gekommen. Das war 2013. Doch gefolgt ist ihm bisher niemand. Ändert sich das nun vielleicht, da der 200. Geburtstag des Philosophen und Ökonomen bevorsteht?

Es sieht nicht so aus: Der Präsident der Uni sieht »keine Notwendigkeit für einen Namen«, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. »Es gibt viele Städte, die auf eine Namensgebung verzichten, zum Beispiel Köln oder Wien«, so Michael Jäckel. Der Name einer Uni solle die Stadt repräsentieren - und Trier stehe für eine lange Historie mit vielen kulturellen Traditionen.

Dass sich Jäckel gegen »eine Fixierung auf Personen« ausspricht, wie das die Agentur wiedergibt, ist ein diskutables Argument. Ein anderes hingegen müsste sein Wahrheitskriterium erst in der Praxis finden: Denn Jäckel gibt sich sicher, dass die Mehrheit der Trierer eine Benennung der Uni nach Marx ablehnen würde. Ist denn schon eine Volksbefragung geplant? Oder anders formuliert: Wer könnte eine solche nun auf den Weg bringen?

Jäckel würde dann wohl Wahlkampf für das Nein machen, noch verkleidet sich seine Position freilich in eine Frage: Bei Marx müsse immer überlegt werden, was mit dem Name assoziiert werde. »Man muss sich Gedanken machen: Welche Außenwirkungen sind damit verbunden?«, zitiert ihn die Deutsche Presse-Agentur. Hat sich Jäckel mal darüber Gedanken gemacht, welche Außenwirkungen damit verbunden sind, solche rhetorische Gymnastik zu machen, um eine Marx-Bennenung zu verhindern?

Jäckel schickt noch eine Botschaft hinterher: »Auch das Land Rheinland-Pfalz würde seine Stimme erheben.« Gegen Marx? Wahrscheinlich. Mit welchen Argumenten? Wahrscheinlich mit schlechten. Gregor Gysi würde Jäckel im Wahlkampf um eine Abstimmung unter den Trierern jedenfalls als Kontrahent begegnen.

»Karl Marx ist eine der größten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte«, sagt Gysi. »Er hat auf hervorragende Art und Weise die Philosophie und die ökonomische Wissenschaft bereichert. Von ihm stammt eine beeindruckende und bis heute in jeder Hinsicht zutreffende Analyse der kapitalistischen Produktionsweise«, so der Linkenpolitiker, der »Das Kapital«, dessen erster Band vor 150 Jahren erschien, »in der Geschichte der Menschheit eine grandiose Rolle« gespielt habe. Würdigung schließt für Gysi ganz selbstverständlich auch »eine kritische Auseinandersetzung mit Marx‘ Werk, mit dessen späterem Missbrauch keinesfalls aus«.

Gysi will nun nicht nur die Umbenennung der Trierer Alma Mater, sondern überhaupt »überall in Europa Initiativen zur Ehrung und Würdigung von Karl Marx«. Der oberste Europa-Linke ruft gar zu einer Art Massenbewegung auf: Bürger, aber auch Institutionen sollten »in besonderer Weise die Würdigung von Karl Marx« organisieren, diese sei, so Gysi »zum Teil auch nachzuholen« - ein Hinweis darauf, dass Marx zwar zu den ganz großen Namen hierzulande gehört, aber um andere Traditionen meist ein größerer Bohei gemacht wird.

Übrigens: Gysi hat sich immer Mal wieder zur Marx betreffenden Erinnerungspolitik geäußert. Vor ein paar Jahren sagte er, die UNESCO hatte gerade unter anderem den ersten Band von »Das Kapital« mit der Aufnahme in das Weltdokumentenerbe gewürdigt, »auch diejenigen, die seine Ideen nicht teilen, müssen ihn schätzen, respektieren«. Und: »Wäre Karl Marx ein Franzose, wäre jeder Präsident, auch der konservativste an seiner Grabstätte in London gewesen. Noch nie hat sich dort ein deutscher Kanzler oder eine deutsche Kanzlerin sehen lassen.« Soweit bekannt, hat sich auch daran seither nichts geändert. mit Agenturen

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