Nazi-Devotionalien: Bundeswehr durchsucht alle Kasernen
Internationales Auschwitz-Komitee fordert Debatte über Leitkultur der Bundeswehr / Ex-Generalinspekteur Kujat attackiert von der Leyen
Berlin. Nach dem Fund von NS-Devotionalien und Wehrmachtsandenken in Bundeswehrkasernen hat der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, laut »Welt am Sonntag« die Durchsuchung sämtlicher Kasernen und Bundeswehrgebäude angeordnet. Wieker habe die Inspekteure und Präsidenten der gesamten Bundeswehr angewiesen, die Einhaltung der Regeln zum Traditionsverständnis in Bezug auf NS und Wehrmacht zu untersuchen. Die Überprüfung erstrecke sich auf alle dienstlichen Liegenschaften, heißt es dem Bericht zufolge in einer Anweisung. Bis Dienstag solle ein Zwischenbericht abgeliefert werden, bis zum 16. Mai müsse die Überprüfung der Bundeswehrgebäude abgeschlossen sein.
Das Bundesverteidigungsministerium hatte am Samstag den Fund von Wehrmachtsdevotionalien in einer Kaserne in Donaueschingen bestätigt. Zuvor waren bereits in der Kaserne im elsässischen Illkirch, wo der rechtsextreme Offizier Franco A. stationiert war, zahlreiche Wehrmachts-Devotionalien in einem Freizeitraum entdeckt worden. In der Kaserne in Illkirch sollen zudem Bundeswehrsoldaten im November 2012 ein vier Meter großes Hakenkreuz auf den Boden gestreut haben. Auch ein Besprechungsraum in der Fürstenberg-Kaserne in Donaueschingen sei mit NS-Devotionalien dekoriert, berichtete »Spiegel Online«. In einer vor der dortigen Kantine stehenden Vitrine seien Stahlhelmen aus der Nazizeit präsentiert worden. Die Ministerin hatte bei ihrem Besuch am vergangenen Mittwoch in Illkirch betont: »Die Wehrmacht ist in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr.«
Angesichts der Funde von Wehrmachtsdevotionalien hat das Internationale Auschwitz-Komitee eine Debatte über die Leitkultur der Bundeswehr gefordert. »Für Überlebende des Holocaust ist allein der Gedanke, dass innerhalb einer deutschen Armee jemals wieder Nazisymbole verherrlicht und Wehrmachtstraditionen beschworen werden können, gespenstisch und unerträglich«, erklärte der Exekutiv-Vizepräsident der Organisation von Nazi-Opfern, Christoph Heubner, in Berlin. Für ihn »ist es dringend an der Zeit, die Debatte über die Leitkultur in der Bundeswehr neu zu strukturieren und die historische und politische Bildung in der Bundeswehr gerade im Blick auf ihre Anbindung an die Traditionen des Deutschen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus zu intensivieren«. Dies gelte auch angesichts anderer aktueller rechtsextremer und populistischer Herausforderungen in Europa.
Der frühere Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat hat derweil der Verteidigungsministerin vorgeworfen, der Truppe zu schaden. »Die pauschale Kritik der Ministerin an Haltung, Führung und Korpsgeist war inakzeptabel und schädlich für die Bundeswehr. Und ihre Entschuldigung ist wachsweich ausgefallen«, sagte Kujat. »Als Kollateralschäden bleiben ein Ansehensverlust der Streitkräfte und ein Vertrauensverlust der Soldaten in die politische Führung.« Von der Leyen hatte der Bundeswehr im Fall des terrorverdächtigen und rechtsextremen Soldaten Franco A. ein Haltungsproblem, Führungsschwäche und falschen Korpsgeist vorgeworfen, nach heftiger Kritik aber eine fehlende Einordnung ihrer Kritik bedauert. Kujat warf ihr vor, auch nach dreieinhalb Amtsjahren nicht in der Bundeswehr angekommen zu sein. »Sie steht außerhalb, sie steht neben den Streitkräften. Und sie scheint auch nicht die Absicht zu haben, daran etwas zu ändern.« Er fügte hinzu: »Bei Frau von der Leyen hat man den Eindruck, dass sie die Bundeswehr vor allem für ihr weiteres Fortkommen nutzt.« Agenturen/nd
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