Hunger steigert die Migration

Martin Ling über eine neue Analyse der Welternährungsorganisation

Wem der Hungertod droht, der flieht - sofern er kann. Diese These erschließt sich von selbst. Dass die Fluchtrate bei Hungerzunahme überproportional steigt, hat die bisher umfassendste Analyse zu diesem Thema ergeben: Der Bericht »An der Wurzel des Exodus: Gesicherte Ernährung, Konflikt und internationale Migration« des Welternährungsprogrammes (WFP). Demnach zwingt die Zunahme von Hunger in einer Bevölkerung um ein Prozent, fast doppelt so viele Menschen (1,9 Prozent) zu migrieren. Des Weiteren fliehen mit jedem weiteren Konfliktjahr 0,4 Prozent mehr Menschen aus einem Land.

Die Schlussfolgerungen, die diese statistischen Aussagen auf der Basis qualitativer und quantitativer Studien für die handelnde Politik nahelegen, liegen auf der Hand: Ausbau der Ernährungssicherheit und -souveränität in den Ländern des Globalen Südens und Eindämmung der kriegerischen Konflikte auf dem Globus.

Kaum noch in Erinnerung ist, dass die drastische Kürzung der Essensrationen für die Flüchtlinge in Syriens Nachbarstaaten durch das WFP wegen Geldmangels im Sommer 2015 einen gewaltigen Schub in der darauffolgenden Migration über die Balkanroute auslöste. Auch in dem aktuellen Bericht bekräftigte fast jeder syrische Studienteilnehmer mit Nachdruck den Wunsch, nach Syrien zurückzukehren, wenn sich die Situation stabilisiert und die Sicherheit ausreichend gewährleistet ist.

Was für die Syrer gilt, gilt für die allermeisten der Migranten: Sie wollen sich oftmals nicht weit von ihrer Heimat entfernen, sondern so nah wie möglich eine Zuflucht finden und sobald wie möglich zurückkehren. In der Politik der reichen Staaten hat diese Erkenntnis noch keinen Widerhall gefunden: Flüchtlinge sollen vor allem draußen bleiben.

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