Italienisches Parlament befragt deutsche Flüchtlingsretter
Vorwurf der Zusammenarbeit mit Schleppern / Hilfsorganisationen sprechen von Verleumdungskampagne
Rom. Deutsche Hilfsorganisationen müssen sich vor dem italienischen Parlament gegen den Vorwurf verteidigen, bei der Bergung von Flüchtlingen im Mittelmeer mit Schleusern zusammenzuarbeiten. Die Berliner Organisationen »Jugend Rettet« und »Sea Watch« sowie die Regensburger Organisation »Sea Eye« sollen vom Verteidigungsausschuss des Senats in Rom befragt werden.
»Wir haben nichts zu verbergen«, sagte Ruben Neugebauer von »Sea Watch«. Ein italienischer Staatsanwalt hatte zuvor privaten Seenotrettern vorgeworfen, möglicherweise mit Schleppern zu kooperieren, beziehungsweise gar von ihnen finanziert zu werden. »Das ist völliger Quatsch und eine Verleumdungskampagne«, so Neugebauer. Die Vorwürfe würden gezielt und ohne Belege gestreut. Die EU und die Operation Sophia - der EU-Marineeinsatz gegen Schleuser vor der libyschen Küste - würden sich bei der Rettung von Flüchtlingen immer mehr zurückziehen. Das Sterben auf dem Mittelmeer werde dabei bewusst in Kauf genommen, um den Menschen zu signalisieren, dass sie nicht erwünscht sind. »Man will die Mittelmeerroute schließen, indem man andere sterben lässt.« Die Finanzierung von »Sea Watch« sei transparent, aus Italien habe es bisher keine Anfrage zur Offenlegung der Finanzen gegeben.
»Jugend Rettet« hatte am Dienstag vor dem Ausschuss ausgesagt und die Vorwürfe ebenfalls zurückgewiesen. Man hätte sich gewünscht, dass der Staatsanwalt direkt an die Vereinigungen herangetreten wäre, statt »unkonkrete, aber doch schwerwiegende Anschuldigungen« hervorzubringen, so die Organisation. »Wir arbeiten grundsätzlich transparent und hätten Gespräche mit ihm geführt«, sagte »Jugend Rettet«-Sprecherin Pauline Schmidt nach der Anhörung. Die Aussagen von »Sea Watch« und »Sea Eye« vor dem Verteidigungsausschuss sind für den späten Mittwochabend angesetzt.
Unterdessen wird in Italien gegen Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen wegen Beihilfe zur illegalen Migration ermittelt. Die Ermittlungen richteten sich nicht gegen die NGOs per se, sondern gegen einzelne Personen, sagte der Staatsanwalt aus dem sizilianischen Trapani, Ambrogio Cartosio, am Mittwoch vor dem Verteidigungsausschuss im italienischen Senat. Namen der NGOs, zu denen die Beschuldigten gehören sollen, nannte er nicht.
Laut Staatsanwalt sollen einige Hilfsorganisationen den Ermittlungen zufolge Einsätze zur Rettung von Flüchtlingen und Migranten im Mittelmeer durchführen, ohne zuvor die koordinierende italienische Küstenwache darüber in Kenntnis zu setzen. Könne jedoch nachgewiesen werden, dass die Beschuldigten eine Straftat im Namen eines höheren Ziels - etwa um Menschenleben zu retten - begingen, seien keine Strafen zu befürchten. Würden NGOs aktiv, um Menschen zu retten, sei das also zu »100 Prozent« gerechtfertigt.
Derzeit befinden sich mindestens zehn NGOs im Mittelmeer vor Libyen. Obwohl in diesem Jahr offiziellen Angaben zufolge im Vergleich zum Vorjahr mehr Schutzsuchende an der Küste Italiens angekommen sind, sank im gleichen Zeitraum die Zahl der Todesopfer im Mittelmeer. nd/dpa
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