Parlamente behalten Veto-Recht für Handelsabkommen
EuGH-Urteil: EU-Staaten müssen bei Verträgen wie CETA und TTIP gefragt werden / EU-Abgeordneter Scholz begrüßt Zusicherung der Mitsprache
Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof hat den Weg für ein Veto-Recht nationaler Parlamente gegen Freihandelsabkommen der EU geebnet. Die Richter in Luxemburg entschieden am Dienstag, dass Verträge wie der mit Singapur nicht in die alleinige Zuständigkeit der EU-Institutionen fallen.
Die Entscheidung der EU-Richter gilt als schwerer Rückschlag für die EU-Kommission von Jean-Claude Juncker. Die Brüsseler Behörde hatte die Position vertreten, dass nach EU-Recht lediglich eine Mitwirkung des Europaparlaments und der Regierungen der Mitgliedsstaaten am Abschluss der Freihandelsabkommen vorgesehen ist.
»Die Bewertung des Europäischen Gerichtshofs ist ein wichtiger Schritt, um die herablassenden Äußerungen über ihre Pflicht erfüllenden Parlamente in Mitgliedsstaaten wie Belgien zum Verstummen zu bringen«, erklärte der Europaabgeordnete Helmut Scholz (LINKE) zu der Entscheidung. »Ohne breite parlamentarische Beteiligung und Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger wird es ausgehandelte Investorenschutzabkommen nicht mehr geben.«
Sie befürchtet, dass die europäische Handelspolitik lahmgelegt werden könnte, wenn nicht nur das Europaparlament sondern auch Parlamente in Mitgliedsstaaten zustimmen müssen. Theoretisch würde nämlich bereits das Nein eines nationalen Parlaments genügen, um ein Freihandelsprojekt zu stoppen.
Als Paradebeispiel gilt der Streit um das europäisch-kanadische Freihandelsabkommens CETA, das die EU-Kommission auf politischen Druck hin als ein solches eingestuft hatte, das der Zustimmung nationaler Parlamente bedarf. Der Vertrag konnte im vergangenen Herbst erst nach einer Hängepartie unterzeichnet werden, weil die Führung der belgischen Wallonie die Signatur des Abkommens zeitweise blockierte. Für die EU war das international eine Blamage.
Helmut Scholz sieht in der Entscheidung nun eine Klarstellung bei den Zuständigkeiten der europäischen Ebene: Jeder Aspekt eines Handelsabkommens, der sich auf die Entwicklung der gesamten Europäischen Union auswirken kann, falle nun in die alleinige Zuständigkeit der Institutionen auf europäischer Ebene – Rat der Mitgliedsstaaten, EU-Parlament und Europäische Kommission. Diese Stärkung der Institutionen bedeute aber auch eine Aufgabe für die Mitgliedsstaaten. »Wir sollten dem Beispiel Dänemarks folgen und vor jedem Rat den Ministerinnen und Ministern, die dort für ihr Land abstimmen, von unseren Parlamenten auftragen lassen, wie sie im Rat abzustimmen haben«, schlägt Scholz vor.
Der Beschluss des EuGH bezieht sich konkret auf ein mit Singapur ausgehandeltes Freihandelsabkommen. Die Einschätzungen des Gerichtshofes gelten aber auch für alle anderen Abkommen.
EU-Bürger dürfen mitreden
Das EuGH-Urteil erweist sich als zweiter Dämpfer für die EU-Kommission innerhalb weniger Tage. Erst am vergangenen Mittwoch hatte der Gerichtshof entschieden, Brüssel hätte die Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative »Stop TTIP« nicht ablehnen dürfen. Solch eine Initiative könne »zur rechten Zeit eine legitime demokratische Debatte« auslösen, so das Gericht. Die Luxemburger Richter gaben damit einer Klage von Michael Efler, Vorstand des Vereins »Mehr Demokratie«, statt.
Im Juli 2014, auf dem Höhepunkt der Proteste gegen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und (CETA), hatten rund 230 Organisationen aus mehreren Ländern eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) gegen diese Vorhaben starten wollen. Sie wollten damit insbesondere die Absenkung von Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzstandards sowie die Deregulierung öffentlicher Dienstleistungen verhindern. Brüssel lehnte die Registrierung mit dem Argument ab, dass es sich bei den Verhandlungsmandaten nicht um Rechtsakte der Union, sondern um interne Vorbereitungsakte handle. Dagegen klagten die Aktivisten erfolgreich vor dem EU-Gericht. Agenturen/nd
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