Italien steckt im Patt

Ein Ausweg per Neuwahlen aus der Regierungskrise zeichnet sich nicht ab

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Italiens Bürger sind desillusioniert. Die Politik scheint keine Antworten auf die brennenden Probleme der Gesellschaft finden zu können. Die Staatsverschuldung steigt, ein Wirtschaftswachstum ist nicht zu erkennen. Matteo Renzis Pläne zur Belebung des Arbeitsmarktes sind fehlgeschlagen. Eine Wahlrechtsreform ist immer noch nicht in Aussicht.

Im Effekt schwindet das Vertrauen der Wähler in die, die das Volk parlamentarisch auf allen Ebenen vertreten wollen. Wären heute Wahlen, so lägen laut der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Demos die Kandidaten der Demokratischen Partei leicht in Führung. Demos sieht die PD bei 28,5 Prozent. Ihr folgt die Bewegung der 5 Sterne (M5S) mit 27,2 Prozent. Noch im März dieses Jahres lagen die Prognosewerte der beiden zurzeit stärksten politischen Kräfte diametral umgekehrt.

Nur jeweils die Hälfte der Wählerzustimmung erhalten die Rechtsparteien Forza Italia (13,3 Prozent) und Lega Nord (12,9 Prozent). Gingen sie - wie so häufig in der Vergangenheit - ein Wahlbündnis ein, so wäre dieses die dritte politische Kraft im Land. Alle weiteren Parteien und Bewegungen von links bis rechts liegen derzeit noch nicht einmal bei der für den Einzug ins Parlament notwendigen Fünf-Prozent-Hürde.

Aus der gegebenen Situation ließe sich jedoch keine mögliche Koalition ableiten. Weder will PD mit M5S sich verbinden, noch wollen diese beiden Bewegungen ein Bündnis mit den konservativen Parteien eingehen. Aktuelle Wahlen führten demnach zu keiner regierungsfähigen Mehrheit im Parlament.

Sowohl PD als auch Lega Nord haben in den vergangenen Wochen Primärwahlen abgehalten, um ihren Parteivorsitzenden und damit Spitzenkandidaten für die kommenden Wahlen zu nominieren. Bei den Demokraten siegte - nach langen vorausgehenden Querelen - mit 70 Prozent Ex-Premier Renzi und düpierte damit die innerparteiliche Opposition.

In der Lega setzte sich Matteo Salvini mit seinem ausländer- und europafeindlichen populistischen Kurs - ähnlich dem Marine Le Pens - gar mit 80 Prozent an die Spitze der Partei.

Doch könnten diese deutlichen Erfolge sich im Gesamtbild um die politische Führung eher als Pyrrhussiege darstellen. Denn Renzis opulente Mehrheit bei den Primärwahlen ließ sich damit erklären, dass vor allem seine Anhänger zu den Urnen gingen. Viele innere Gegner resignierten und nahmen erst gar nicht teil, eine Tendenz, die bei anstehenden Parlamentswahlen zu deutlich anderen Ergebnissen führen könnte.

Und auch Salvinis Sieg innerhalb der Lega wird außerhalb der Partei so wenig geteilt, dass selbst Lega-Gründer Umberto Bossi meinte, Salvini könne nicht der Führer der Mitte-Rechts-Politik sein. Dem entspricht auch, dass Silvio Berlusconis Forza Italia deutlich Abstand zu einer von Salvini geführten Lega hält.

Am ehesten vertrauen die Italiener noch dem amtierenden Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni. Es könnte sein, dass Staatspräsident Sergio Mattarella ihn mit einer technischen Regierung betrauen würde, sollte ein reguläres Wahlergebnis zu keiner politischen Regierung führen.

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