Der Neue lässt mit sich reden

Der erst 31-jährige Luke Reynolds wird Trainer des deutschen Volleyballmeisters aus Berlin

Wenn der Meister seinen Trainer austauscht, wirkt das merkwürdig, besonders wenn der alte beständig erfolgreich war. Roberto Serniotti hatte die BR Volleys in den vergangenen zwei Jahren zu insgesamt vier Titeln geführt, vor zehn Tagen erst verteidigten die Berliner die deutsche Volleyballmeisterschaft. Trotzdem musste er den Verein jetzt verlassen - und es wunderte die Beobachter im Umfeld nicht einmal, dass er auch selbst gehen wollte. Denn das Verhältnis zu Manager Kaweh Niroomand war belastet. Der neue Trainer, den Niroomand am Dienstag vorstellte, war dann aber eine Überraschung: Luke Reynolds soll an die Erfolge des Vorgängers anknüpfen. Eigene kann er bislang kaum vorweisen.

Der Australier ist gerade mal 31 und damit sogar zwei Jahre jünger als der Mannschaftskapitän Robert Kromm. »Ich hatte von fast allen renommierten Trainern Europas eine Bewerbung auf dem Tisch. Diesen Weg sind wir aber bewusst nicht gegangen«, behauptete der Manager und unterschlug dabei, dass die allerbesten Trainer bei den Spitzenklubs in Polen, Russland und Italien gebunden sind oder sich die Berliner deren Gehaltsforderungen nicht leisten können. Die Volleys verzichten künftig sogar auf einen Athletiktrainer, da Reynolds dieses Feld selbst übernehmen könne, war dies doch seine Hauptaufgabe unter Cheftrainer Mark Lebedew bei Jastrzębski Węgiel in Polen.

Jener Lebedew hatte in Berlin zu Beginn des Jahrzehnts die Dominanz der Volleys in Deutschland eingeläutet, die in der Folge zu fünf Meisterschaften in sechs Jahren führen sollte. Ihn hatte Niroomand nun offenbar auch um Rat gefragt. »Ich habe mich lange mit Lebedew ausgetauscht und sehr positive Rückmeldungen bekommen, auch von Spielern wie Scott Touzinsky, die jetzt mit Luke gearbeitet haben«, erzählte Niroomand.

Trotz des Lobes aus berufenem Munde bleibt die Neubesetzung ungewöhnlich. »Wir versprechen uns davon einen Aufbruch in der Mannschaft. Wir haben fast die komplette Stammformation zusammengehalten. Das hat viele Vorteile, aber es braucht auch einen neuen Push, neue Methoden. Die Schablone muss mal durchbrochen werden«, sagte der Manager.

Die Spieler ziehen erst einmal mit. Robert Kromm ist so einer unter ihnen, der seit fünf Jahren zum Stamm gehört und sich nun mehr Abwechslung wünscht - und zudem mehr Mitsprache: »Wir wollen jetzt Eigenverantwortung tragen.« Unter Ex-Trainer Serniotti sei das sehr schwierig gewesen, da »alles strikt von oben bestimmt wurde«, so Kromm. Reynolds werde die Spieler nun mit in die Verantwortung holen. »Und wenn man die trägt, ist man selbst mit mehr Leidenschaft dabei und hat hoffentlich auch mehr Erfolg.«

Zwei Stunden hat das Team bisher mit Reynolds reden können. Kromm mochte seine Herangehensweise, sagte er danach. Mehr als das kurze Beschnuppern war zunächst jedoch nicht drin. Manche Spieler machen nach der langen Saison jetzt erst mal Urlaub, andere fliegen in die Trainingslager ihrer Nationalmannschaften, mit denen sie im Sommer World League, WM-Qualifikation und Kontinentalmeisterschaften bestreiten. Auch Luke Reynolds, der nebenbei noch Assistenztrainer des australischen Männerteams ist. Bei den Volleyballern ist das kein großes Problem, da Länderspiele fast ausschließlich im Sommer ausgetragen werden, wenn die Ligen pausieren.

Danach soll Reynolds dann für die neue Kommunikationskultur bei den Berlin Volleys sorgen. Alle mitreden lassen, alle mitnehmen ist die Devise. Das umfasst bei den Volleys aber nicht nur die Spieler, sondern auch Kaweh Niroomand. Nicht zuletzt daran war sein Verhältnis mit Serniotti erkrankt. Der Manager wütete schon mal über die Entscheidungen des Trainers, der sich aber nicht reinreden lassen wollte. Mit dem jungen Reynolds, der noch nicht sagen kann, dass seine eigenen Methoden bewährt zum Erfolg führen, hat sich Niroomand also jemanden geholt, den er selbst ein bisschen besser bearbeiten kann. »Er ist offen für neue Ideen, sucht den Austausch, nimmt andere Meinungen an«, sagte der Manager über Reynolds. »Ich muss mich natürlich kontrollieren, dass ich nicht in seine Entscheidungen eingreife.«

Der Australier sieht das alles positiv. »Je mehr darüber reden, desto besser. Jeder hat Ideen, wie Volleyball gespielt werden soll, und ich werde sie mir anhören. Es liegt dann an mir, was ich mit den Informationen mache. Wenn dir dein Manager nützliche Informationen gibt, kann das doch nur positiv sein.«

Für alte Trainerhasen mag das naiv klingen. Vielleicht ist es das auch, denn ohne es zu merken, sprach Niroomand vor versammelter Presse noch eine Warnung an den Trainer aus: »Natürlich muss er am Ende die Entscheidungen treffen und den Kopf für die Ergebnisse hinhalten.«

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