Kita-Plätze bleiben Mangelware
Bundesweit gibt es fast 300.000 Betreuungsplätze zu wenig / Größtes Defizit besteht in Nordrhein-Westfalen / Thüringen führt kostenfreies Vorschuljahr ein
Berlin. In Deutschland fehlen laut einem Medienbericht fast 300.000 Krippenplätze. In den alten Bundesländern gibt es 262.436 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren zu wenig, in Ostdeutschland müsste es 31.050 Plätze mehr geben. Das schreibt die »Bild«-Zeitung (Mittwoch) unter Berufung auf Zahlen des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Besonders viele Eltern suchen demnach in Nordrhein-Westfalen vergeblich eine Betreuung für ihr Kind: Mütter und Väter von 16,2 Prozent aller Kinder in diesem Alter, für die ein Bedarf besteht, fänden dort keinen Platz. Das entspreche 77.459 fehlenden Plätzen. Seit 2013 haben Eltern darauf einen Rechtsanspruch. In Bremen beträgt die Betreuungslücke dem Bericht zufolge sogar 20,2 Prozent (3763 Plätze). In Rheinland-Pfalz und Bayern sei die Quote ähnlich hoch. Zu den Gründen für den Mangel sagte IW-Ökonom Wido Geis dem Blatt: »Frühkindliche Betreuung wird nicht mehr so negativ gesehen. Immer mehr Frauen wollen immer früher zurück in den Job, deshalb sind Familien früher auf Betreuung angewiesen.« Der Bedarf werde noch wachsen.
Im Dezember hatten laut IW bundesweit rund 228.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren gefehlt. Ein neues Investitionsprogramm soll bis zum Jahr 2020 für 100.000 zusätzliche Kita-Plätze sorgen.
Beitragsfreies Kita-Jahr von 2018 an in Thüringen
Passend zur Debatte um fehlende Kita- und Krippenplätze gab die rot-rot-grüne Regierung am Dienstag die Einlösung eines zentralen Wahlversprechens bekannt. Die Eltern von rund 18.000 Thüringer Vorschulkindern müssen demnach künftig keine Kindergartenbeiträge mehr zahlen. Nach dem vom Kabinett beschlossenen neuen Kita-Gesetz wird das letzte Kindergartenjahr vor der Schule beitragsfrei. »Damit lösen wir ein zentrale Wahlversprechen ein«, sagte Bildungs-Staatssekretärin Gabi Ohler in Erfurt. Die finanzielle Entlastung der Familien bezifferte sie auf durchschnittlich 1440 Euro im Jahr. Sie sprach von »Normalverdienerfamilien«. Das gilt nicht für Familien mit geringem Einkommen, die ohnehin keine Kita-Gebühren zahlen müssen.
Sowohl die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) als auch die Landeselternvertretung sehen aber weiterhin Defizite in der Kinderbetreuung und fordern deshalb mehr Investitionen in die Betreuungsqualität. Ohler bezifferte die Kosten für das beitragsfreie Kita-Jahr auf jährlich rund 29 Millionen Euro. Die Koalition hatte dafür das Landeserziehnungsgeld abgeschafft, das Eltern erhielten, die ihre Kinder höchstens stundenweise in Kindergärten betreuen ließen. Ohler sieht keine akute Gefahr, dass die Kita-Beiträge für Vorschulkinder steigen, weil das Land sie künftig bezahlt. »Es gibt keinen Grund, warum für Fünf- bis Sechsjährige höhere Gebühren anfallen sollen«, sagte die Staatssekretärin. Für den Gesetzgeber sei es zudem schwer, bei den Gebühren »gerichtsfeste Hürden einzuziehen«.
Von Seiten der GEW gab es dennoch Kritik. Die Landesregierung ignoriere mit dem Gesetz den einsetzenden Fachkräftemangel und nehme damit Qualitätsverschlechterungen in Kauf, erklärte die Gewerkschaft. Auch sie forderte einen besseren Betreuungsschlüssel - also weniger Kinder pro Erzieherin. Ohler sagte, sie habe kein Verständnis für die harsche Kritik. In der vergangenen Legislaturperiode habe der Landtag den Personalschlüssel verbessert. »Jetzt geht es um die Verbesserung der Familienfreundlichkeit.«
Jede zweite Erzieherin ist älter als 50
Das die GEW mit ihre Warnung vor einem Fachkräftemangel nicht ganz unrecht haben könnte, zeigte sich in Sachsen-Anhalt. In den Kitas von Thüringens Nachbarbundesland ist mittlerweile jede zweite Erzieherin älter als 50 Jahre. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die das Sozialministerium in Auftrag gegeben hatte. Ergebnisse daraus stellte Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) am Dienstag in Magdeburg vor. In den vergangenen Jahren waren zwar viele junge Erzieherinnen und Erzieher eingestellt worden, davor hatte es hingegen viele Jahre kaum Neueinstellungen gegeben. Das Resultat sei eine unausgewogene Verteilung, die zu Problemen führt. Auch deshalb soll das Kinderförderungsgesetz in Sachsen-Anhalt überarbeitet werden. Im Kern geht es um die Finanzierung, aber auch um die Rahmenbedingungen und die Qualität. Grundlage soll die Evaluierung sein, deren erster Teil nun vorgestellt wurde. nd/Agenturen
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