»extra3« durfte Weidel »Nazi-Schlampe« nennen
AfD-Politikerin scheitert vor dem Hamburger Landgericht mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Satiresendung
Berlin. Sieg für die Satirefreiheit: Die AfD-Poltikerin Alice Weidel ist vor der Pressekammer des Hamburger Landgerichts damit gescheitert, gegen einen Beitrag der NDR-Satiresendung »extra 3« eine einstweilige Verfügung zu erwirken.
Auslöser für den juristischen Streit war eine Äußerung von Moderator Christian Ehring. Er hatte die AfD-Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl in der Sendung der vergangenen Woche als »Nazi-Schlampe« bezeichnet. »Jawoll. Schluss mit der politischen Korrektheit, lasst uns alle unkorrekt sein. Da hat die Nazi-Schlampe doch recht«, sagte er in der Satiresendung. »War das unkorrekt genug? Ich hoffe!«, so der Moderator weiter. Mit seiner Äußerung bezog sich der NDR-Moderator auf eine Äußerung Weidels beim AfD-Bundesparteitag in Köln. Dort hatte sie erklärt:
Es muss endlich Schluss damit sein, dass diejenigen, die auf die Missstände in unserem Land hinweisen, härter bekämpft werden als die Missstände selbst. Und wir werden uns als Demokraten und Patrioten trotz dessen nicht den Mund verbieten lassen. Denn die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.
Nun stellte die Hamburger Pressekammer klar: »Als Spitzenkandidatin der AfD steht die Antragstellerin im Blickpunkt der Öffentlichkeit und muss auch überspitzte Kritik hinnehmen«, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Weiterhin führte die Kammer aus, Weidel habe »die in Rede stehende Beziehung in ihrem Kontext hinzunehmen«. Dies bedeutet allerdings auch, dass die Bezeichnung als »Nazi-Schlampe« nur im konkreten Kontext der vorliegenden Satire zulässig ist.
Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts sei deshalb nur »anzunehmen, wenn die von ihrer satirischen Umkleidung freigelegte Aussage die Würde des Betroffenen in ihrem Kernbereich trifft.« Die Sendung »extra3« habe sich jedoch im Rahmen ihrer satirischen Arbeit geäußert, was klar zu erkennen gewesen sei. Im Vordergrund der Äußerung habe nicht die Diffamierung Weidels gestanden.
»Der Zuschauer begreift den Begriff ‚Nazi‘ als grobe Übertreibung, die an die Wahl der Antragstellerin zur Spitzenkandidatin der AfD anknüpft, nimmt deswegen aber nicht an, dass die Antragstellerin Anhängerin der Nazi-Ideologie sei. Es kann dahinstehen, ob die Bezeichnung ‚Schlampe‘ stets eine sexuelle Konnotation habe, wie die Antragstellerin vorträgt.«
Mit seiner Entscheidung folgt das Hamburger Landgericht der Argumentation des NDR, der sich für die Sendung verantwortlich zeichnet. Vor der Verhandlung hatte sich der Sender bereits schützend hinter »extra3« und den Moderator Ehring gestellt. »Mit seiner satirischen Überspitzung zeigt er die Konsequenzen dieser Forderung, dass nämlich ohne politische Korrektheit die Beschimpfung von Menschen wieder salonfähig werden könnte«, so der NDR in einer früheren Mitteilung.
Die Entscheidung des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Der Bevollmächtige Weidels in dem Rechtsstreit kündigte laut Gericht bereits an, gegen die Zurückweisung des Antrags sofortige Beschwerde einzulegen. Darüber müsste dann das Oberlandesgericht entscheiden.
Im vergangenen Jahr hatte »extra 3« bereits mit einem satirischen Song auf den türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für Aufsehen gesorgt. Nach der Ausstrahlung von »Erdowie, Erdowo, Erdogan« hatte der Politiker den deutschen Botschafter in der Türkei einbestellt. Daraufhin schrieb der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann die umstrittene »Schmähkritik«, die im »Neo Magazin Royale« gesendet wurde. Erdogan forderte eine Strafverfolgung Böhmermanns wegen der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches. Teile des Schmähgedichts wurden vom Landgericht Hamburg verboten. rdm mit Agenturen
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!