Steuerdiät ist besonders für Reiche gut

35 Milliarden kostet Ende des Mittelstandsbauchs

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Lothar Binding findet es nicht schlimm, dass seine Partei noch kein ausgearbeitetes Steuer- oder Finanzkonzept hat. »Das hat damit zu tun, dass wir uns kein Konzept suchen, sondern aussuchen«, sagte der Finanzexperte der SPD im Bundestag am Mittwochabend auf einer Veranstaltung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Schließlich gebe es zum Beispiel schon das Niedersachsen-, das DGB- oder das Bayernmodell.

Die DIW-Ökonomen haben die beiden letztgenannten Modelle durchgerechnet, zudem die Vorschläge der LINKEN sowie der Mittelstandsvereinigung der Union. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forscher am Mittwoch vor der Diskussionsrunde mit den finanzpolitischen Experten aller vier derzeit im Bundestag vertretenen Parteien. Auch wenn das Anfang der Woche vorgestellte Modell von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nicht mehr in der Studie berücksichtigt wurde, ist das Fazit eindeutig. »Wenn man den Einkommensteuertarif auf breiter Front senkt, werden die hohen Einkommen absolut stärker entlastet als die mittleren«, sagt DIW-Steuerexperte Stefan Bach. Dies liege daran, dass die Einkommensteuer stark progressiv wirkt.

Das DIW hat für die Studie berechnet, wie viel es kosten und wer davon in welcher Höhe profitieren würde, wenn der sogenannte Mittelstandsbauch komplett wegfällt. Dieser entsteht, weil der Grenzsteuersatz - also der Steuersatz, der bei einem Gehaltsplus fällig wird - in den unteren Lohngruppen besonders schnell ansteigt. Das Ergebnis: 35 Milliarden Euro pro Jahr würde diese Maßnahme den Fiskus kosten und mehr als die Hälfte davon würde den einkommensstärksten 20 Prozent der Bevölkerung zugutekommen.

SPD-Mann Binding, der genauso wie sein Parteichef und Kanzlerkandidat Martin Schulz lieber mehr investieren als Steuern senken will, war nicht der Einzige, der ohne fertiges Konzept in die DIW-Runde kam. Man wolle bei der Bundestagswahl im September »nicht mit dem Rechenschieber am Wahltisch stehen«, sagte die Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Kerstin Andreae, und erinnerte daran, dass ihre Partei zur vorherigen Bundestagswahl ein ausgearbeitetes Konzept inklusive Vermögensabgabe und höherem Spitzensteuersatz vorgelegt hatte. »Das hat uns 2013 fast den Kopf gekostet«, meinte Andreae.

So bildeten letztlich nicht überraschend Union und Linkspartei die beiden Pole der Diskussion am Mittwochabend. CDU-Finanzexpertin Antje Tillmann wollte nicht von »Steuergeschenken« sprechen, wie sie etwa auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Höhe von rund 15 Milliarden Euro pro Jahr ins Gespräch gebracht wurden. Denn von Steuergeschenken könne nur sprechen, wer glaube, dass alles was der Bürger verdiene, automatisch dem Staat gehöre.

Einzig der finanzpolitische Experte der LINKEN, Axel Troost, machte »keinen Hehl« daraus, dass seine Partei unterm Strich eine »Steuererhöhungspartei« sei. Zwar sieht auch das Konzept der LINKEN Entlastungen für Mittel- und Normalverdiener vor. Aber man brauche noch »deutlich mehr Steuereinnahmen«, so Troost, um den riesigen Investitionsstau in der öffentlichen Infrastruktur und die soziale Schieflage anzugehen. Deswegen plädiert seine Partei für die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer sowie für eine Reform der Erbschafts- und auch der Gewerbesteuer.

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