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Oppermann zu Riexinger: »Sie haben einen Sockenschuss«

Streit um Agenda-Parole »Fordern und Fördern«: SPD-Fraktionschef gegen Linkspartei-Vorsitzenden auf Twitter

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. In der Linkspartei zeigt man sich angesichts der Programmvorschläge der SPD zurückhaltend, was wenig überraschend ist, immerhin ist Wahlkampf. In dessen Hitze bringt eine Äußerung des Vorsitzenden Bernd Riexinger derweil den sozialdemokratische Fraktionschef Thomas Oppermann in Rage. Der Linkenchef hatte kritisiert, dass die unter Gerhard Schröder auf den Weg gebrachte Agenda 2010 nicht rückabgewickelt werden soll. Die Vorschläge der Sozialdemokraten für eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I in Verbindung mit Qualifizierungsmaßnahmen würden nichts am Problem ändern, so Riexinger: »Das menschenverachtende Prinzip unter der Schröder'schen Formel ›Fordern und fördern‹ wird auch von Martin Schulz vertreten.«

Dies wollte Oppermann nicht so stehen lassen - und texte auf Twitter: »Mit Verlaub, Herr Riexinger, Sie haben einen Sockenschuss.« Die Formulierung nimmt Anleihe bei einem berühmten Ausspruch des Grünen-Politkers Joschka Fischer, der einst Bundestagsvizepräsident Richard Stücklen »mit Verlaub« ein »Arschloch« genannt hatte, nachdem dieser den Grünen-Abgeordneten und späteren nd-Chefredakteur Jürgen Reents ausgeschlossen hatte. Das war 1984. Oppermann griff nun eine Etage tiefer zu dem Begriff »Sockenschuss«, wobei anzunehmen ist, dass er nicht die eigentliche Bedeutung des Wortes im Sinne hatte: Mit Sockenschuss bezeichnet man nämlich das Zusammennähen von Strumpfpaaren vor dem Waschen, so dass ein späteres Zusammensuchen nicht notwendig ist.

Riexingers Kritik am »Fordern und Fördern« wiederum zielte auf eine der Grundformeln des »aktivierenden Sozialstaates« und damit auf eine der umstrittensten Parolen der Agenda-Politik der SPD. Der Staat soll Menschen in Notlagen nur dann helfen, wenn diese sich nicht selbst helfen können oder andere, zum Beispiel Familienangehörige, vorrangig zur Hilfe verpflichtet werden können. Zwar deutet das »Fördern« auf Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, dass es erst gar nicht zu Notlagen kommt - etwa durch Bildung, Qualifizierung etc. Hinter dem »Fordern« aber haben Kritiker immer den längeren Hebel gesehen, etwa durch die Verpflichtung zur Annahme »zumutbarer« Arbeit.

Hinter dem Prinzip stand zudem immer der Gedanke, Menschen würden ihre Erwerbslosigkeit oder andere Notlagen vor allem selbst verschuldet haben - Motto: Millionen Menschen seien vor allem deshalb ohne Arbeit, weil sie sich nicht genügend um einen Job bemühten. »Man wollte die Arbeitslosen gar nicht fördern«, hat der Armutsforscher Christoph Butterwegge mit Blick darauf einmal formuliert: »Man wollte sie nur fordern, um nicht zu sagen, überfordern.« Im Übrigen stehe die Parole in Widerspruch zum Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes. »Dort heißt es gerade nicht, die Bundesrepublik sei dann ein Sozialstaat, wenn Gegenleistungen erbracht werden. Vielmehr ist von Bedingungen in unserer Verfassung keine Rede«, so Butterwegge.

Unterdessen machte Oppermanns Twitter-Vorwurf Richtung Linkspartei am Montagabend die Runde. Der nordrhein-westfälische Linkspolitiker Daniel Schwerd spielte den Ball zurück: »Herr Oppermann, haben Sie sich je gefragt, ob es am Festhaltens an Hartz IV liegen könnte, dass sich die SPD in den Keller manövriert hat?« Der FDP-Politiker Florian Swyter dagegen schrieb: »Da muss ich mal Thomas Oppermann voll zustimmen! Wäre aber gut, wenn auch die SPD dieses erfolgreiche Prinzip nicht vergisst.« Was den Berliner Linkenabgeordnete Michael Efler zu der Bemerkung veranlasste: »Da lobt die FDP mal die SPD. Sagt alles.«

Riexinger hatte freilich nicht nur das Prinzip »Fordern und Fördern« kritisiert, sondern die SPD aufgefordert, mehr als nur kosmetische Veränderungen ihrer bisherigen Politik anzupeilen. »Was die SPD derzeit macht, geht in die richtige Richtung«, sagte er mit Blick auf die Wahlvorschläge der Sozialdemokraten. »Allein mir fehlt der Glaube.« Man wolle die SPD durchaus unterstützen, aber nur unter einer Bedingung: »wenn sie einen tatsächlichen Kurswechsel für soziale Gerechtigkeit vollzieht«. tos

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