Pflöcke für Hamburg einschlagen

Beim G7-Treffen auf Sizilien geht es auch um das Grundsatzthema Handelspolitik

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Donald Trump lernt Europa kennen. In Brüssel traf er am Donnerstag EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker; anschließend nahm er am Treffen der 29 Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder teil, um am Abend zum G7-Gipfel nach Sizilien zu fliegen. Die Gruppe trifft sich seit 1975, seit der Krim-Krise 2014 aber ohne Russland. Der Spitzengipfel vor dem G20-Gipfel im Juli in Hamburg wird mit großer Spannung erwartet: Im sizilianischen Taormina werden erstmals die Gegensätze der führenden Industrienationen in einer grundsätzlichen Frage aufeinanderprallen - dem Welthandel. Protektionismus oder Freihandel, das ist die Frage.

Trump hatte Anhänger der neoliberalen Globalisierung in Toronto, Paris und Peking mit seinem protektionistischem Motto »America first« und der Androhung einer Importsteuer aufgeschreckt. Beides soll helfen, den US-Industrien eine Chance zu geben. Mittlerweile ist über eine »Border Adjusted Tax« von 20 Prozent auf Importe hinaus aus Washington kaum noch etwas zu hören.

Eine Importsteuer halten Wirtschaftswissenschaftler durchaus für eine Möglichkeit, mit deren Hilfe internationaler Wettbewerb an Fairness gewinnen könnte. Treffen würde sie die europäischen Exportbranchen. Die USA sind mit 610 Milliarden Euro wichtigster Handelspartner der EU.

Auch in der EU ist Protektionismus weit verbreitet. So belastet der bundesdeutsche Zoll Waren, die nach Deutschland importiert werden. Die »Einfuhrumsatzsteuer« bringt laut Bundesfinanzministerium jährlich 50 Milliarden Euro. Begründet wird sie damit, dass Hersteller in ihren Heimatländern Exporte von der Mehrwertsteuer befreien lassen können.

Gleichzeitig wird die heimische Industrie fast überall subventioniert. So unterstützt Deutschland Forschungsprojekte der Werften und stellt günstige Finanzierungen über die Hermes-Bürgschaften hinaus bereit. Dabei beträgt die Exportquote der Schiffbauer 70 Prozent. In Italien und Frankreich gehören Kreuzschiffwerften teils dem Staat - sie konkurrieren etwa mit der privaten deutschen Mayer-Werft. Deren Standort Papenburg liegt tief im Binnenland, deswegen sorgen Bund und Land dafür, dass die schmale Ems für die riesigen Traumschiffe passierbar bleibt. Ein Milliardenprojekt. Derweil gehen in Südkorea, Japan und China Werften in der globalen Schifffahrtskrise nur deshalb nicht unter, weil sie der Staat über Wasser hält.

Das alles verzerrt die Handelsbeziehungen zwischen den Industriestaaten. Dazu kommen klassische Zölle aller Art sowie »nichttarifäre Handelshemmnisse« wie Umweltauflagen und Verbraucherschutzregeln.

Umstritten bleiben Freihandelsverträge. TTIP scheint zwar vom Tisch. Doch elf Staaten wollen an der Transpazifischen Partnerschaft TPP festhalten. Japan hat TPP neben Neuseeland bereits ratifiziert - obwohl die USA abgesprungen sind. China setzt auf einen gemeinsamen Binnenmarkt Südostasiens, einschließlich Australiens.

Beobachter bezweifeln angesichts dieser Gemengelage, dass in Sizilien der Knoten zwischen den Handelsbeziehungen durchschlagen oder aber noch fester gezurrt werden wird. Dabei dürften die überwiegend neoliberalen Politiker gar nicht so weit ab von Trump liegen. Für einen guten Deal - ein (überschaubares) Entgegenkommen vor allem der Exportweltmeister Deutschland und China - ist der US-Präsident mit seinem »prinzipienfesten Realismus« wohl zu haben.

In Italien ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) diesmal die »Altmeisterin« unter den Regierungs-Frischlingen aus Großbritannien, Frankreich und Italien. Die Kanzlerin wird wohl versuchen, auch den neuen US-Präsidenten auf ihren Kurs zu bringen. Neben der Weltwirtschaft und dem Handel stehen Außen- und Sicherheitspolitik, das Pariser Klimaschutzabkommen und die vielen Flüchtlinge aus Afrika auf der Tagesordnung.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!