Hilfebedürftige Helfer
Bürgschaften können Flüchtlingspaten an den Rand des Ruins bringen. Rettung ist höchstens in Einzelfällen möglich
»Es gibt noch einen humanen Weg, zumindest die Angehörigen der hier bereits lebenden Syrer aus dem Bürgerkrieg zu holen und ihnen konkret zu helfen: Noch immer lassen einige Bundesländer den Familiennachzug für Syrer zu, sofern ein ›Verpflichtungsgeber‹ deren Lebensunterhalt trägt.« Mit diesen Worten wirbt der Berliner Verein »Flüchtlingspaten Syrien« für sein Anliegen - mit Spenden schafft er das Polster, um Bürgschaften für die Familienangehörigen syrischer Kriegsflüchtlinge abzusichern. »205 Menschen haben wir bereits die Einreise ermöglicht«, sagt Martin Keune, Initiator des Vereins. 4300 Spender schaffen mit Beträgen ab zehn Euro die finanzielle Basis.
Anderswo folgten Menschen in Deutschland dem gleichen Bedürfnis. Sie verhalfen syrischen Familienangehörigen, die von einem zweijährigen Aufnahmestopp betroffen sind, zur Einreise nach Deutschland, übernahmen sogenannte Verpflichtungserklärungen. Damit erklärten sie sich bereit, die Kosten zum Lebensunterhalt sowie zur Unterkunft zu tragen. Mehrere Bundesländer ließen auf dieser Grundlagen die Einreise von Familienangehörigen zu, das Bundesinnenministerium genehmigte und verlängerte die Programme.
Doch für manche Helfer kam das böse Erwachen. Ihre Annahme, dass die Zeit der Bürgschaft mit der Anerkennung ihrer Mündel als Flüchtling enden würde, erwies sich als Trugschluss - obwohl die Landesregierungen sie in Erklärungen in ihrem Glauben bestärkt hatten. Mit der Anerkennung als Flüchtling übernahmen die Jobcenter nun zwar die Sozialleistungen nach den Regeln zum Arbeitslosengeld II. Aber sie forderten das Geld von den Paten zurück. Bis zu fünfstellige Beträge seien hier aufgelaufen, berichteten Medien. Der rechtlichen Unsicherheit folgten Gerichtsprozesse. Nach einigen ermutigenden Entscheidungen kam im Januar die Ernüchterung, als das Bundesverwaltungsgericht entschied: Die Pflicht zur Kostenübernahme besteht unverrückbar. Eine Flüchtlingsanerkennung ändere an der Verpflichtung nichts.
Im August letzten Jahres nahm der Gesetzgeber im sogenannten Integrationsgesetz eine Klarstellung vor: Eine Frist von fünf Jahren wurde den Paten auferlegt, in der ihre Bürgschaft gilt. Menschen, die schon vor Gesetzeserlass ihre Bürgschaft abgaben, sind für drei Jahre an sie gebunden. Für manchen Helfer, der womöglich die Einjahresfrist im Sinn hatte, die in solchen Fällen in Kanada oder anderen Ländern gilt, war dies eine katastrophale Eröffnung.
Für den Verein »Flüchtlingspaten Syrien« ist es ein Grund, für sein eigenes Modell zu werben. Spenden sichern die Mittel für seine Paten. Der Verein sieht sich von der Regelung gar entlastet. Man sei nämlich anfangs von einer unbefristeten Verpflichtung ausgegangen, erläutert Martin Keune - bis die syrischen Familien ihren Lebensunterhalt selbst aufbringen würden. Die Fünfjahresfrist stellt für den Verein eine Entspannung dar.
Flüchtlingspaten mit Kosten in oft fünfstelliger Größenordnung zu konfrontieren, nennt Ulla Jelpke jedoch generell unverantwortlich. Die innenpolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag: »Es kann nicht sein, dass das aktive und mutige Eintreten für die Rechte und das Leben syrischer Flüchtlinge am Ende dazu führt, dass dieses vorbildliche zivilgesellschaftliche Handeln den persönlichen finanziellen Bankrott der Betroffenen bedeuten kann.« Jelpke erkundigte sich bei dem für die Jobcenter verantwortlichen Ministerium für Arbeit und Soziales, wie deren Praxis mit einem Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vereinbar ist, das die Verpflichtungserklärung in Einzelfällen für nichtig erklärt hatte. Die Bürgenden seien bei ihrer Erklärung von falschen Voraussetzungen, also einer kürzeren Dauer ihrer Pflicht ausgegangen, urteilte das Gericht. Ein Irrglaube, der von Landesinnenministerien sowie von Gerichtsurteilen genährt wurde.
In seiner Antwort an Ulla Jelpke gibt das Ministerium einen Fingerzeig auf Lösung wenigstens im Einzelfall. Von Geldrückforderungen der Jobcenter könne abgesehen werden, wenn die Betroffenen bei Abgabe der Verpflichtungserklärung unverschuldet davon ausgingen, dass diese mit einer Anerkennung im Asylverfahren endet. Das nennt Jelpke eine »gute und wichtige Klarstellung«. Gleichwohl ist der Auskunft des Ministeriums von Andrea Nahles (SPD) zu entnehmen, dass die Jobcenter zur Rückforderung verpflichtet sind. Jede Ausnahme ist Ermessensentscheidung.
Nahles' Ministerkollegin Manuela Schwesig (SPD) wirbt derweil weiter um freiwillige Flüchtlingshelfer. Im letzten Jahr legte das Bundesministerium für Familie ein 10-Millionen-Euro-Programm auf. »Menschen stärken Menschen«, heißt es und klingt wie eine Gegenmaßnahme zur Politik des Hauses Nahles. »Bei den geförderten Patenschaften kann es sich um 1:1-Beziehungen, Familienpatenschaften oder Patenschaften für sogenannte Übergangsklassen handeln«, ist im Ministerium zu erfahren. Hilfen für verarmte Helfer sind offenbar nicht vorgesehen.
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