Merkels toter Frosch

Andreas Koristka über den Glanz, den die Bundeskanzlerin plötzlich neben dem neuen US-Präsidenten ausstrahlt

Emmanuel Macron erhält zur Zeit viel Lob für sein in die Länge gezogenes männliches Händeschütteln mit Donald J. Trump. Zu Recht, denn um vom US-Präsidenten verstanden zu werden, muss man die Sprache egomaner Machtmenschen sprechen. Dazu gehört eben auch, die Hand des ersten Mannes Amerikas etwas fester zu packen oder die Fingernägel beim Handshake ins Fleisch des Trumpschen kleinen Fingers zu drücken, ihm daraufhin mit der Pike ins Scrotum zu treten, die Perücke vom Kopf zu reißen und sie sich wiederholt mit dem montenegrinischen Premierminister zuzuwerfen. Diese kleinen Ränkespiele gehören zur internationalen Politik wie der Schlag mit der Schippe zum Alltag im Kindergarten. Macron riss sich lange an der Eliteuniversität Science-Po bei seinem Studium der Politikwissenschaften den Hintern auf, um diese hohe Kunst zu erlangen.

Es ist gut, dass sich Franzosen und Deutsche jetzt zusammenschließen wollen, um dem starken Mann aus Amerika Paroli zu bieten. Sie gehen dabei offensichtlich arbeitsteilig vor. Angela Merkel ist wegen ihres charakteristischen Handschlags, der oft als kalt, nass und glibberig beschrieben wird (in Berlin spricht man von »Merkels totem Frosch«), nicht zu festen Händedrücken in der Lage. Für das nächste Aufeinandertreffen Merkels mit Trump ist aber zwischen Paris und Berlin vereinbart, dass die Kanzlerin die Hand des amerikanischen Präsidenten besehen wird. Sie wird mit dem Zeigefinger darüber fahren, wird darauf eine fiktive Straße und ein Haus zeigen. Danach wird sie, Merkel, fragen, ob er, Trump, den See sehen könne. Sollte der Präsident verneinen, dürfte dies im Internet ein neuer viraler Hit werden!

Trump ist ein Typ, der solche kleinen Auseinandersetzungen sportlich nimmt. Ihm fällt kein Zacken aus der Krone direkt auf die kleinen roten Knöpfe seines Atomköfferchens, wenn Frankreich und Deutschland versuchen, sich gegenüber ihm zu behaupten. Trump spielt das Spiel der internationalen Diplomatie eben ein bisschen rauer, unbedarfter und geistig unbemittelter. Aber er spielt es! Nur sind seine Attacken in der Regel eben nicht so subtil wie Merkels. Wenn Trump die amerikanische Presse angreifen möchte, dann fabuliert er von »Fake News«. Merkel spricht lieber Sätze wie »Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei« und genießt die Verzweiflung amerikanischer Medienschaffender bei der Übersetzung dieser Zeilen ins Englische.

Bei aller Kritik dürfte Merkel aber auch einiges an Trump zu schätzen wissen. Denn noch nie wirkte man im Kontrast zu einem amerikanischen Präsidenten geistreicher und vertrauenswürdiger, ohne auch nur das Geringste zu sagen. Früher stahl ihr Barack Obama oft die Show, indem er seine eloquenten Reden sang, dabei eine coole Sonnenbrille trug und im Anschluss noch ein paar Streetballtricks zeigte. Diese Strahlkraft wurmte die Kanzlerin. Jetzt muss sie einfach nur ruhig dastehen und einen Flunsch ziehen, während Trump seine NATO-Rede hält, und man denkt dabei anerkennend: »Aber immerhin ist sie nicht geistig behindert!« Dieser Effekt bringt ihr nicht nur internationale Anerkennung, sondern dürfte ihr auch national einige zusätzliche Wählerstimmen verschaffen.

Wenn Angela Merkel dann in der kommenden Legislatur mit einer absoluten Mehrheit regiert, werden natürlich auch ihre Auftritte etwas farbenfroher ausfallen. Herr Sauer wird auch mal ihre Hand in der Öffentlichkeit wegschlagen dürfen und die deutschen Autobauer werden sich darauf freuen können, dass die Kanzlerin den Klimawandel leugnet. Denn eigentlich liegt Merkel mit vielen ihrer Ansichten gar nicht so weit neben Trump. Beide mögen die Homo-Ehe nicht, lieben den Kapitalismus und tragen eine fragwürdige Frisur. Nur den festen Handschlag, den wird sich Merkel wohl nie aneignen. Doch für den hat sie ja immer noch diesen Franzosen.

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