Gestanksucher im Erzgebirge unterwegs
Studie zur Herkunft der Geruchsbelastung läuft
Dresden. Seit Jahren zieht über das Erzgebirge bei bestimmten Wetterlagen großflächig ein beißender Gestank, in den örtlichen Medien als »Katzendreck-Gestank« bezeichnet. Bis heute ist sein Zustandekommen nicht eindeutig geklärt, nun soll ein neues Projekt names »OdCom« endlich herausfinden, was es damit auf sich hat. Nach Abschluss der ersten Messperiode liegen aber noch keine Ergebnisse vor. »Derzeit werden die Laboranalysen durchgeführt«, sagte Karin Bernhardt vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) der dpa. Bei der Behörde laufen seit 2011 alle Fäden zu der Luftbelastung zusammen, die nach Schilderung von Betroffenen an den Geruch fauler Eier erinnert.
»OdCom« - die Abkürzung steht für Objektivierung der Geruchsbeschwerden im sächsisch-tschechischen Grenzgebiet - wird bis März 2019 über EU-Gelder finanziert. Untersucht werden auf sächsischer Seite das Erzgebirge sowie das Vogtland, auf tschechischer Seite der Bezirk Ústí und Karlovy Vary. In der breit angelegten Untersuchung werden Geruchsbeschwerden dokumentiert und mithilfe neuer Messtechnik Luftschadstoffe gemessen. Zudem wollen die Wissenschaftler erstmals potenzielle Auswirkungen auf die Gesundheit erforschen.
Betroffene klagen bei bestimmten Wetterlagen über Kopfschmerzen, Atemprobleme, Erbrechen oder Durchfall - und führen das auf die »böhmische Luft« zurück. Das LfULG hat deshalb eine Telefonaufnahme und ein Onlineformular geschaltet, um die Belastungen detailliert zu erfassen. Außerdem waren während der Wintermonate auf sächsischer Seite zwölf und in Tschechien elf eigens geschulte Geruchstester unterwegs. »Sie vermerken in einem Tagebuch, wann und wo es gestunken hat und ob bei ihnen gesundheitliche Beschwerden auftraten«, erläuterte die Sprecherin. Zudem nahmen die Probanden Luftproben.
Vier der Spürnasen sind Mitglied in der Bürgerinitiative »Für saubere Luft im Erzgebirge«, die seit 2002 aktiv ist. »Das Winterhalbjahr war recht durchwachsen, im Vergleich hatten wir wenige Belastungstage«, so Sprecher Hartmut Tanneberger. 2016 wurden 583 Beschwerden gemeldet, 2017 sind es bislang nur 96. Im Winter 2014/15 sei es viel schlimmer gewesen. Von September 2014 bis April 2015 gab es mehr als 1300 Beschwerden entlang der Grenze.
Als Ursache der üblen Gerüche gelten inzwischen Schwefelverbindungen, sogenannte Mercaptane. Einen konkreten Verursacher konnte man bislang nicht finden. Fest steht nur, dass die Quelle unter den Betrieben im nordböhmischen Industrierevier zu suchen ist. In der Region gibt es nach »OdCom«-Angaben rund 100 berichtspflichtige Unternehmen, vorrangig der Petrochemie, die etwa 7000 Menschen beschäftigen.
Mithilfe von zwei Messstationen in Deutschneudorf und Lom nahe Litvinov untersuchen die sieben deutschen und tschechischen Projektpartner, darunter die TU Dresden, die Luft auf ultrafeine Partikel, Schwefelverbindungen und eine Vielzahl weiterer chemischer Stoffe. Nach Abschluss der Laboranalyse soll laut LfULG zeitnah die Auswertung beginnen. Im November startet dann die zweite Messperiode. Bis dahin werden Vertreter der Bürgerinitiative zwei große tschechische Petrochemie-Unternehmen besuchen. »Das ist vor allem eine vertrauensbildende Maßnahme, die aber vor Jahren nicht denkbar gewesen wäre«, sagte Tanneberger. Auch in Tschechien gebe es immer mehr Menschen, die der »böhmische Nebel« belastet. dpa/nd
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