Sellering übergibt das Ruder
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident tritt aus gesundheitlichen Gründen zurück / Schwesig soll Nachfolgerin werden
Sich selbst und seinem Kabinett hatte Erwin Sellering nach der erneuten Wahl zum Ministerpräsidenten Ende 2016 einen beachtlichen Aufgabenkatalog geschrieben. Den sozialen Zusammenhalt im Land gelte es zu stärken, mehr Bürgernähe müsse die Politik zeigen, mehr für die strukturschwachen Regionen tun. Einige Punkte nur aus der Regierungserklärung. Ziele, denen sich der 67-Jährige nun nicht mehr an der Spitze des Kabinetts widmen wird und auch nicht als Landesvorsitzender der SPD. Das wichtigste Ziel für Sellering heißt jetzt: erfolgreich den Lymphdrüsenkrebs bekämpfen.
Über diese Krankheit hatte der Regierungschef am Dienstag die Öffentlichkeit informiert. »Völlig überraschend« sei ihm die Diagnose gestellt worden, berichtet Sellering. Nun sei »umgehend eine massive Therapie« erforderlich. Er werde deshalb nicht mehr in der Lage sein, sein Amt auszufüllen.
Nach fast neun Jahren als Ministerpräsident, so Sellering, scheide er »mit großer Dankbarkeit« aus dieser Position, die es ihm ermöglicht habe, einen Beitrag für die gute Zukunft des Landes zu leisten. Es habe an Wirtschaftskraft gewonnen, die Arbeitslosigkeit sei spürbar zurückgegangen, Verbesserungen für Familien seien erzielt worden. Ihm sei es sehr wichtig gewesen, für mehr Respekt vor ostdeutschen Lebensleistungen einzutreten, betont der erste aus dem Westen kommende Regierungschef Mecklenburg-Vorpommerns.
Dorthin verzogen war der in Nordrhein-Westfalen geborene Jurist, als in den 1990er Jahren die Position eines Vorsitzenden am Verwaltungsgericht Greifswald zu besetzen war. Von dort holte der damalige Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) den Genossen – 1994 war Sellering der Partei beigetreten – als Abteilungsleiter in die Schweriner Staatskanzlei. Der nächste Karrieresprung führte ihn 2000 auf den Sitz des Justizministers, sechs Jahre später übernahm er das Ministerium für Soziales und Gesundheit.
Als Harald Ringstorff 2008 aus Altersgründen sein Amt als Ministerpräsident zur Verfügung gestellt hatte, wählten die Koalitionspartner SPD und CDU Erwin Sellering zum Nachfolger. Er wiederum wünscht sich nun als Nachfolgerin eine im Osten, in Frankfurt (Oder) aufgewachsene SPD-Genossin: Manuela Schwesig, derzeit Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Auch den Landesvorsitz der Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern möge sie künftig bekleiden, so Sellering.
Es ist davon auszugehen, dass die 43-jährige Diplom-Finanzwirtin dem Ruf nach Schwerin folgt. Sie ist dort zu Hause, hatte in der Landeshauptstadt im Finanzministerium gearbeitet, bis sie im Herbst 2008 in Erwin Sellerings Kabinett einzog: als Ministerin für Arbeit und Soziales. In dieser Position blieb sie bis Ende 2013, bis zur Vereidigung als Bundesministerin. Auch die Parteispitze im Nordosten ist für Manuela Schwesig, sie ist verheiratet und hat zwei Kinder, kein Neuland. In ihrer Heimat ist sie Mitglied des SPD-Landesvorstandes.
Während ihres Wirkens als Bundesministerin hatte Manuela Schwesig unter anderem mit einem Appell an die Wirtschaft viel Aufmerksamkeit gefunden: Unternehmen, so hatte sie angeregt, sollten ihren Beschäftigten im Interesse des Familienlebens mehr Beweglichkeit bei der Gestaltung der Arbeitszeit einräumen, ohne dass dies die berufliche Karriere beeinträchtigt. Deutliche Kritik richtete die Ministerin gegen das nach ihrer Meinung rückständige Familienbild der AfD – einer Partei, für die Schwesig alles andere als Sympathie hegt.
Abgeordneten jener Rechtspopulisten würde sie als Regierungschefin im Schweriner Landtag gegenüber sitzen. Und dort wohl auch im Sinne von Erwin Sellering agieren, der in seiner letzten Regierungserklärung gefordert hatte: »Wir müssen denen klar entgegen treten, die Ängste und Sorgen der Menschen bewusst noch weiter schüren, um sie für sich zu nutzen – und die dabei vor rechtsextremen Parolen, vor Aggression und Hass nicht zurückschrecken.«
Dem Mann, der dieses wünschte, wurden am Dienstag viele gute Worte zuteil. So würdigte der SPD-Bundesvorsitzende Martin Schulz Sellerings »große Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern«. Die LINKE-Fraktionschefin im Landtag, Simone Oldenburg, bedankte sich für die Jahre der Zusammenarbeit, und Grünen-Landesvorsitzender Johann-Georg Jaeger lobte Sellerings »Anliegen, ostdeutsche Lebensbiografien zu wertschätzen«.
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