Zweierlei Sicht auf IS-Terror
Kontrollgremium zu Weihnachtsmarkt-Attentat
Das Parlamentarische Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) hat am Mittwoch seine »erläuternde Sachverhaltsdarstellung« zum Fall des sogenannten Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri vorgelegt. Dessen Mordtat in Berlin forderte zwölf Leben, zahlreiche Menschen wurden verletzt. Im Bericht wird deutlich, dass der IS-Terrorfall die föderale Sicherheitsarchitektur an ihre Grenzen gebracht hat. Amri lebte in sechs Bundesländern, zeitweise befassten sich 50 staatliche Stellen mit dem Gefährder.
Dabei war der Fall nur einer unter vielen. Das Bundeskriminalamt habe im vergangenen Jahr »440 Einzelhinweise auf das Vorliegen einer Gefährdung deutscher Interessen und Einrichtungen im In- und Ausland geprüft«, liest man. In dem Bericht werden zahlreiche Momente aufgelistet, die Anlass zu engagierterem Handeln der Sicherheitsbehörden hätten sein müssen. Die Abgeordneten analysierten Fehlverhalten in Bund und Ländern, kritisierten die Untätigkeit des Verfassungsschutzes und verstehen nicht, warum der BND ungenügend einbezogen wurde. Die Historie aller Strafverfahren und weiterer nicht ermittelter Straftaten zeigten zudem drastisch, wie notwendig die Bündelung bei einer Staatsanwaltschaft gewesen wäre.
Dem Dokument liegen zwei Sondervoten bei. Der Vizechef des PKGr, André Hahn (Linksfraktion), bemängelt: »Der Bericht ist an ganz entscheidenden Stellen unvollständig und daher nur bedingt bzw. gar nicht geeignet, die Vorgänge um den Anschlag ... umfassend aufzuklären.« Das liege insbesondere daran, dass Nordrhein-Westfalen und Berlin so gut wie keine Unterlagen beisteuerten. Schwere Pannen, Versäumnisse und Fehlentscheidungen seien nur »unzureichend oder gar nicht« zur Sprache gekommen. Der Verdacht, dass Behörden Anis Amri als »Nachrichtenmittler« nicht aus dem Verkehr ziehen wollten und damit vorsätzlich das Leben Dritter riskierten, ist für Hahn »nicht ausgeräumt«.
»Der bisher schwerste Terroranschlag in Deutschland am 19. Dezember hätte nicht nur verhindert werden können, sondern hätte auch verhindert werden müssen«, sagt Grünen-Abgeordneter Christian Ströbele. »Das Totalversagen der Sicherheitsbehörden« erinnern ihn an den NSU-Fall. Er wirft der Regierung vor, zentrale Gefährdungserkenntnis verheimlicht zu haben. Statt gründlich aufzuklären, versuchte man sich »im Tarnen und Täuschen«.
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