Gezittert, verloren, aufgestiegen
Folge 115 der nd-Serie »Ostkurve«: Der FC Carl Zeiss Jena ist zurück in der 3. Liga
Kurz vor 19 Uhr gab es am Donnerstagabend im Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeld kein Halten mehr. Im Relegations-Rückspiel um den Aufstieg in die 3. Liga musste Jena trotz des 3:2-Erfolges im Hinspiel bei Viktoria Köln zittern.
Spätestens nach dem Kölner Führungstor durch Fatih Candan in der 81. Minute brach bei den 13 600 Zeiss-Fans unter den insgesamt 13 800 Besuchern Panik aus. Ein weiterer Treffer für die Viktoria hätte das Aus für die Jenaer Aufstiegshoffnungen bedeutet. Doch es blieb bei der 0:1-Niederlage. Aufgrund der größeren Anzahl von Auswärtstoren kehrte Jena somit nach fünf Jahren Abstinenz in die 3. Liga zurück. Für Westmeister Köln ist dagegen eine ganze Saison futsch. »Es entwickelte sich ein Spiel auf Messers Schneide. Ruhe war nie drin. Im Endeffekt juckt das aber kein Schwein mehr. Wir sind aufgestiegen«, jubelte Jenas Mittelfeldmann Sören Eismann.
Im Anschluss wurde draußen wie drinnen gefeiert. In der Zeiss-Kabine flossen Bier und Sekt in Strömen - in den Mund oder als Dusche für den Nebenmann. Es wurde getanzt und gesungen. Im Überschwang der Gefühle rissen die Zeiss-Kicker sogar Teile der Deckenverkleidung ihrer Kabine herunter. Der enorme Druck der letzten Tage suchte sich scheinbar sein Ventil.
Im Sommer 2012 ist der FC Carl Zeiss Jena, der zuletzt 2007/08 in der 2. Bundesliga spielte, aus der 3. Liga abgestiegen. In der Regionalliga Nordost dümpelte der dreifache DDR-Meister und Europapokal-Finalist von 1981 mehr oder weniger herum. Die Ränge zwei (2012/13), drei (2013/14), vier (2014/15) und sieben (2015/16) zeigten einen deutlichen Abwärtstrend. Tiefpunkt war die vergangene Saison, in der sogar vergleichsweise weniger ambitionierte Mannschaften wie der Berliner AK, Wacker Nordhausen oder Babelsberg 03 noch vor Jena landeten.
Trainer Volkan Uluc musste im Sommer 2016 gehen, auch weil er in die Machtkämpfe zwischen dem belgischen Investor Roland Duchâtelet und der Vereinsführung geriet, die sich teilweise eine öffentliche Schlammschlacht lieferten. Schließlich setzte sich der Ende 2013 eingestiegene Duchâtelet durch. Auch Präsident und Vereinsikone Lutz Lindemann sowie große Teile des Aufsichtsrats wurden mehr oder weniger gegangen.
Seit Oktober 2016 ist Klaus Berka Präsident, ein langjähriges Mitglied der Geschäftsführung der Analytik Jena AG. Unter ihm kehrte Ruhe ein. Die Ultras, die im Jahr 2014 aus Protest gegen den Investor ein Jahr lang den Support verweigerten, stehen inzwischen längst wieder voll hinter der Mannschaft von Kapitän René Eckardt. Die wird von Trainer Mark Zimmermann angeführt, der in der Zunft nicht zu den Schreihälsen gehört. Der frühere Zeiss-Profi, der mit Jena als Aktiver 1995 in die 2. Bundesliga aufgestiegen war und in den Jahren 2005 und 2006 den Durchmarsch von der vierten in die zweite Liga geschafft hatte, ist seit Saisonbeginn für die Profis der Thüringer verantwortlich.
Zimmermanns Karriere erinnert an Jenas letzten Aufstiegstrainer Heiko Weber, der den Traditionsverein zwischen 2005 und 2006 direkt von der vierten in die zweite Liga geführt hatte. »Wir haben zusammen für Jena gespielt und sind 1995 in die 2. Liga. Er war später mein Trainer. Wir haben gemeinsam den Durchmarsch geschafft«, erzählt Zimmermann. »Wir waren beide in Jena A-Jugend-Trainer und sind dann mit den Männern aufgestiegen.« Weber kletterte in seinem ersten Drittligajahr als Coach gleich weiter hoch. Davon kann jetzt keine Rede sein. »Wir haben das große Ziel erreicht. Wir wollen versuchen, die 3. Liga zu halten«, sagt Zimmermann. Mit Leistungsträgern wie den Angreifern Timmy Thiele und Manfred Starke sowie Mittelfeldmann Niclas Erlbeck konnte der FCC vorzeitig verlängern. Ihnen traut Zimmermann den nächsten Schritt zu. Verstärkungen erscheinen vor allem im Abwehrbereich notwendig zu werden, auch weil Routinier René Klingbeil seine Karriere beenden wird.
Die Lust auf größeren Fußball beim FCC ist riesig. Zum Hinspiel in Köln reisten 5000 Fans mit. Für den Fußballstandort Jena zieht die Zukunft nun rosiger aus. Im Falle eines Aufstieges hat die Stadt zugesichert, für die 3. Liga Flutlichtmasten aufzustellen. Wenn alles rund läuft, gibt es im Herbst 2018 sogar den Spatenstich für ein neues Stadion an alter Stätte.
Nicht ins Jenaer Jubelbild passte, dass der Mannschaftsbus der Kölner großflächig beschmiert wurde und Zeiss-Fans während der Begegnungen mehrfach Pyrotechnik zündeten. 23 Menschen wurden beim Platzsturm verletzt. Etwa 400 Fans zogen Nach dem Spiel durch die Stadt, wo sie laut Polizei Einsatzfahrzeuge und Beamte mit Flaschen und Pyrotechnik bewarfen.
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