Rückzug vom Umzug

Trump lässt US-Botschaft vorerst in Tel Aviv / Israels Rechte ist enttäuscht

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Präsident habe sich zu einer Aussetzung des Umzugs entschieden, um die Chance zu erhöhen, ein Abkommen zwischen Israelis und Palästinensern auszuhandeln, heißt es in einer Mitteilung des Weißen Hauses. Die Entscheidung, die Verlegung der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem vorerst auf Eis zu legen, bedeute aber keinesfalls eine »Abkehr von der starken Unterstützung des Präsidenten für Israel«.

Doch bei Israels Regierung ist die Enttäuschung dennoch groß. Sie wird seit 2015 von einer Koalition aus konservativen, religiösen und rechten Parteien getragen; die Erwartungen an Trump waren hoch. Denn der hatte nach seiner Wahl immer wieder erklärt, nach seiner Vereidigung werde er ein »neues Kapitel« in puncto Israel aufschlagen, die Botschaft nach Jerusalem verlegen.

Naftali Bennett, Bildungsminister und Chef der Siedler-nahen Partei »Jüdisches Heim«, hatte Trumps Wahl gar als »Ende für die Zweistaaten-Lösung« bezeichnet. Dass Trump die Botschaft nach Jerusalem verlegen werde, darauf hatte man in rechten Kreisen gehofft.

1995 hatte der Kongress im Gesetz 104-45 den Umzug der Botschaft verfügt, und eine Frist von vier Jahren gesetzt; falls das nicht geschehe, sollten dem Außenministerium gemäß Absatz 3 (b) 50 Prozent der Mittel für den Erwerb und die Unterhaltung von Gebäuden im Ausland gekürzt werden. Doch seitdem hatten alle Präsidenten von der in Absatz 7 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Umzug für jeweils sechs Monate zu verschieben.

Trumps Entscheidung kam dementsprechend nicht freiwillig: Der letzte, von Barack Obama unterzeichnete Aufschub lief am Donnerstag aus; spätestens am Freitag hätte Trump den Umzug in Stein meißeln müssen.

Doch während Trump und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu noch vor zwei Wochen beim Besuch des Präsidenten in Israel demonstrativ Einheit demonstrierten, war bereits offensichtlich, dass die komplizierten Lehren der Nahost-Diplomatie bei Trump Spuren hinterlassen haben.

Trump erwähnte die Botschaft bei seinen öffentlichen Auftritten mit keinem Wort; eine Delegation des US-Außenministeriums, die kurz nach der Vereidigung des neuen Präsidenten nach Israel entsandt worden war, um den Umzug vorzubereiten, war schon Anfang März wieder abgezogen worden.

Denn immer wieder hatten europäische und arabische Regierungen auf die Folgen hingewiesen: Mit der Verlegung der Botschaft, die einer Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels gleich kommt, hätte Trump auch erklären müssen, ob er West-Jerusalem oder ganz Jerusalem als Hauptstadt Israels sieht. 1980 hatte Israel auch den im Sechstagekrieg 1967 besetzten Ostteil annektiert, betrachtet ihn als Teil Israels, während die Palästinenser Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas fordern.

So hatte Saudi-Arabien schon im Januar erklärt, man werde eine Anerkennung von Groß-Jerusalem durch die USA keinesfalls akzeptieren. Trump arbeitet aber derzeit auf eine nahöstliche Verteidigungsallianz gegen Iran unter stiller Beteiligung Israels hin; zudem wurde vor zwei Wochen ein Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien unterzeichnet. Die Jerusalem-Frage hätte diese Pläne gefährdet.

Israels Kabinettsminister Juwal Steinitz warf Trump am Freitag vor, er habe »arabischem Druck« nachgegeben, während Netanjahu in einer Mitteilung die Entscheidung kritisierte: Sie verhindere Frieden, indem sie die »palästinensische Fantasie« nähre, »dass das jüdische Volk keine Verbindung mit Jerusalem« habe.

»Ich kenne keinen Palästinenser, der das jemals behauptet hat«, sagt indes der palästinensische Regierungschef Rami Hamdallah. »Wir standen immer auf dem Standpunkt, dass Ost-Jerusalem die Hauptstadt Palästinas und West-Jerusalem die Hauptstadt Israels sein soll.«

Man hoffe nun, dass Trump »ernsthafte Schritte« unternehme, um beide Seiten an den Verhandlungstisch zu bringen, so Hamdallah weiter. »Als Nächstes muss sich Trump aber darum bemühen, dass Israel den Siedlungsbau einstellt.«

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