Hessen pumpt erneut Geld in Privatkliniken

Landtagsopposition kritisiert neuen Deal mit Betreiber

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Über zehn Jahre nach der Privatisierung der großen hessischen Universitätskliniken in Gießen und Marburg klagen gestresste Beschäftigte, freiberufliche Ärzte, Gewerkschafter und Lokalpolitiker über die negativen Folgen des Deals. Mit der Privatisierung wollte die damalige hessische CDU-Alleinregierung 2006 erklärtermaßen ein »Leuchtturmprojekt« von Bundesbedeutung schaffen, das allerdings nirgendwo Nachahmung fand. Das private Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH (UKGM) gehört zu 95 Prozent der Rhön Klinikum AG (RKA), fünf Prozent hält das Land Hessen. Die Forderung von Privatisierungskritikern nach Rückkauf durch das Land hat in der Region längst ein starkes Echo gefunden und kam dieser Tage erneut im Wiesbadener Landtag zur Sprache.

Ausgangspunkt der Debatte war eine neue Vereinbarung zwischen der schwarz-grünen Landesregierung und der RKA. Darin einigte man sich nach langem Tauziehen auf Trennungsrechnungen, mit denen die Kosten für den Klinikbetrieb und den universitären Lehr- und Forschungsbetrieb auseinander gehalten werden sollen. Das Land verpflichtete sich zur Zahlung eines zusätzlichen Sockelbeitrags von knapp 15 Millionen Euro jährlich an die RKA, die ihrerseits Investitionszusagen über 100 Millionen Euro machte. Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU) verteidigte dies als »Durchbruch« und »gutes Signal an Mitarbeiter, Patienten und Universitäten«. Die RKA habe zugesagt, keine Betriebsteile auszugliedern, über fünf Jahre keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen und Auszubildende zu übernehmen. Im Gegenzug verzichtete das Land auf einen zusätzlichen UKGM-Aufsichtsratsposten.

Bei den Oppositionsparteien SPD und LINKE stieß die Vereinbarung auf Kritik. So erklärte die Marburger SPD-Abgeordnete Handan Özgüven, die Schere zwischen Mitarbeiterzahlen und Gesamtpatientenzahlen klaffe immer weiter auseinander. Der nun vereinbarte staatliche Investitionszuschuss sei früher nicht vorgesehen gewesen, hingegen habe die RKA dem Land Hessen schon 2006 die Investitionen versprochen, die jetzt erneut vereinbart wurden, so Özgüven. »Der Klinikbetreiber wird also mit Steuergeldern zu einer Investition motiviert, zu der er bereits seit über zehn Jahren vertraglich verpflichtet ist.«

Der Marburger Abgeordnete Jan Schalauske (LINKE) erinnerte daran, dass Minister Rhein noch Ende 2016 die RKA-Forderung nach höheren Landeszuschüssen zurückgewiesen habe und nun vor den Aktionären eingeknickt sei. »Die Landesregierung hat sich von der börsennotierten Aktiengesellschaft am Nasenring durch die Manege ziehen lassen«, erklärte Schalauske. Natürlich seien mehr Mittel für Forschung und Lehre begrüßenswert. »Aber wie garantieren Sie, dass Mittel, die für Forschung und Lehre gedacht sind, nicht für die Renditeerwartungen der Aktionäre zweckentfremdet werden?« Außerdem müsse sich Rhein die Frage gefallen lassen, weshalb nur das UKGM und nicht etwa auch das Universitätsklinikum Frankfurt am Main mehr Landesmittel bekomme, so Schalauske, der unlängst für den ausgeschiedenen Abgeordneten Willi van Ooyen in den Landtag nachgerückt war und auch Landesvorsitzender der Linkspartei ist.

Jüngste Veränderungen bei der RKA-Eigentümerstruktur könnten zur Folge haben, dass der Konzern das UKGM zum Verkauf anbiete, warnte Schalauske. Auf diesen Fall müsse sich die Landesregierung vorbereiten und ihr Rückkaufsrecht geltend machen.

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