Darf Riina zu Hause sterben?

Angehörige der Opfer des Mafiabosses protestieren

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Er gilt als der »Pate der Paten«, Salvatore »Toto« Riina ist das Oberhaupt von Cosa Nostra aus Corleone. Obwohl seit 1993 in Haft, steuert er die Clans aus der Zelle heraus. Nun hat sein Rechtsbeistand an das zuständige Vollstreckungsgericht den Antrag gestellt, den Mafiaboss nach Hause überstellen zu lassen. Begründung: Der 86-Jährige sei schwer erkrankt und stünde dem Tode nahe. Er soll das Recht aller Inhaftierten genießen und in Würde sterben können.

Eine schwere Entscheidung, die das Kassationsgericht in Rom, Italiens oberste Rechtsbehörde, treffen muss. Es ist zu klären: Ist Riina immer noch eine für die Gesellschaft gefährliche Person? Und zweitens: Kann er nicht im Gefängnis ebenso wirkungsvoll behandelt werden, dass ihm schließlich ein »würdevoller« Tod zuteil wird?

Die Nationale Direktion der Mafiabekämpfung warnt, Riina sei auch heute noch eine gefährliche Person. Erst vor zwei Jahren wurde beim Hofgang ein Gespräch abgehört, in dem der Superboss den Auftrag gab, den Anti-Mafiastaatsanwalt Nino Di Matteo spektakulär töten zu lassen. Seither lebt Di Matteo unter Polizeischutz, wenigstens vier gepanzerte Jeeps der Carabinieri begleiten ihn, wenn er das Haus verlässt.

Auf Sizilien sagt man: »Niemand sieht Licht, solange die beiden noch am Leben sind.« Die beiden, damit waren Toto Riina und Bernardo Provenzano gemeint, die »capi dei capi«, die obersten Bosse von Cosa Nostra. Provenzano starb nach schwerer Krankheit im Juli 2016 in Haft. Das Beispiel Provenzano zitierend, fordert Italiens oberster Mafia-Ankläger, Franco Roberti, Riina unter den strengen Bedingungen der Isolationshaft im Gefängnis zu belassen.

Den Einwand der Richter in Rom, das Gefängnis in Parma, wo Riina einsitzt, könne nicht die notwendige medizinische Hilfe gewähren, weist Roberti zurück: Dann müsse der Boss eben in eine andere Hochsicherheitseinrichtung verlegt werden.

»Unsere teuren Angehörigen konnten auch nicht in Würde sterben«, protestieren Angehörige der Mordopfer, deren Tod Riina und Cosa Nostra auf dem Gewissen haben. Darunter Salvatore Borsellino, Bruder des 1992 ermordeten Richters Paolo Borsellino, Rita Dalla Chiesa und Sonia Alfano. Unzählige, die auf das Konto von Riina im Mafiakrieg der 80er Jahre gingen.

Die Vorsitzende der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission, Rosy Bindi, sprach sich ebenfalls für einen Verbleib Riinas im Gefängnis aus. Eine späte Freilassung, sei es auch nur in den Hausarrest, könne als Sieg der Mafia in den Verhandlungen mit dem Staat angesehen werden. Darüber hinaus, betonte Bindi, würde das Haus Riinas in Corleone zum Wallfahrtsort für Mafiosi werden, sollte der Superboss dort seinen Lebensabend verbringen.

Noch ist offen, ob die Gründe, die für einen Verbleib Toto Riinas in Hochsicherheitshaft sprechen, das Kassationsgericht überzeugen können. Sollten die obersten Richter in der Hauptstadt Rom anders entscheiden, könnte das Einknicken vor dem organisierten Verbrechen weitreichende Folgen haben.

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