Großbritannien: Theresa May will neue Regierung bilden

Konservative verfehlen absolute Mehrheit / Labour kann mit deutlichen Zugewinnen rechnen / Liberaldemokraten schließen Deal mit Tories aus / Rechtspopulistische Ukip wohl ohne Mandat

  • Lesedauer: 7 Min.

Update 11.20: Theresa May will neue Regierung bilden

Die britische Premierministerin Theresa May will trotz des Verlusts der absoluten Mehrheit bei der Parlamentswahl eine neue Regierung bilden. Dies sagte ein Sprecher Mays am Freitag in London. Die Democratic Unionist Party (DUP) erklärte, man werde die Konservativen unterstützen. Unklar ist, ob es eine formale Koalition wird, oder eine konservative Minderheitenregierung.

Update 11.05: Deutsche Wirtschaft hofft auf mehr «Realismus» beim Brexit

Die deutschen Arbeitgeber hoffen, dass nach dem Ausgang der Parlamentswahlen in Großbritannien nun die Brexit-Verhandlungen mit mehr Realismus geführt werden. BDA-Präsident Ingo Kramer erklärte am Freitag, man könnte «weder mit Nationalismus und Anti-EU-Rhetorik, noch mit linker Sozialromantik» Mehrheiten erreichen. Er hofft, dass in die Brexit-Verhandlungen nun «mehr Realismus und Pragmatismus Einzug hält».

Update 10.50: Theresa May wird nicht zurücktreten, sagen führende Tories

Großbritannien: Theresa May will neue Regierung bilden

Mehrere Politiker der Konservativen haben erklärt Theresa May werde nicht zurückzutreten. «Wir haben die meisten Stimmen und die meisten Sitze gewonnen» erklärte eine Quelle dem britischen Guardian. May strebt demnach eine Koalition mit der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) an. Deren Vorsitzende Arlene Foster legte May jedoch nahe zurückzutreten. Die Partei werde trotzdem am Wochenende mit den Tories Gespräche führen, aber es sei noch «zu früh» um festzulegen, was passieren werde.

Update 10.20: Labour will Minderheitenregierung stellen

Labour in Großbritannien will die Regierung stellen. Das deutete ihr Chef Jeremy Corbyn nach der Parlamentswahl am Freitag an. «Wir sind bereit, diesem Land zu dienen», sagte Corbyn. Eine eigene Mehrheit haben die britischen Sozialdemokraten nicht. Koalitionen mit anderen Parteien lehnen sie ab. John McDonnell - möglicher Finanzminister in einem Labour-Kabinett - kündigte an, seine Partei werde eine Minderheitsregierung anstreben.

Update 09.55: Es reicht für eine Koalition aus Konservativen und DUP

Die Konservativen haben noch einen Sitz hinzugewonnen und kommen nun auf 316 Sitze. Damit würden sie zusammen mit der ebenfalls konservativen Democratic Unionist Party (DUP) aus Nordirland die Marke von 326 Abgeordneten überschreiten und könnten so in einer Koalition regieren. Doch drei Sitze sind immer noch nicht ausgezählt. Der Politikwissenschaftler Nicolai von Ondarza von der Stiftung für Wissenschaft und Politik äußerte sich unterdessen pessimistisch über die Zukunft von Theresa May: «Ich denke nicht, dass sie dieses Debakel politisch überleben wird.

Update 09.30: Linkspartei-Abgeordneter De Masi gratuliert Jeremy Corbyn

Der Europaabgeordnete Fabio de Masi (Linke) hat Labourchef Jeremy Corbyn in einer ersten Reaktion als »letzten Sozialdemokraten« gelobt. Corbyn habe sich trotz permanenter Attacken britischer Medienkonzerne und des Parteiestablishments durchsetzten können. De Masi erklärte, die Sozialdemokratie könne nur mit einem sozialdemokratischen Programm und »glaubwürdigem Personal« Wahlen gewinnen, in Deutschland sei die SPD davon »leider weit entfernt«. Deren Parteivorsitzende Martin Schulz verkündete auf Twitter er habe am Freitagmorgen mit Corbyn telefoniert. Doch in der Vergangenheit hatte die SPD nicht die Nähe Corbyns gesucht.

Update 6.55 Uhr: Corbyn ruft May zum Rückzug auf

Der linke Labourchef Jeremy Corbyn hat die britische Premierministerin Theresa May angesichts der Verluste ihrer Partei bei der Parlamentswahl zum Rücktritt aufgerufen. May habe Parlamentssitze, »Unterstützung und Vertrauen verloren«, sagte der Oppositionsführer am frühen Freitagmorgen. Die konservative Regierungschefin müsse abtreten und Platz machen für eine »wirklich repräsentative Regierung«, fügte Corbyn hinzu, der im Wahlkreis Islington North sein Parlamentsmandat verteidigte. May erklärte hingegen, Großbritannien brauche »eine Phase der Stabilität«. Sollten sich die Prognosen bestätigten, sei es Aufgabe der Tories, »sicherzustellen, dass wir diese Phase der Stabilität haben«. May wurde als Abgeordnete des Wahlkreises Maidenhead im südenglischen Berkshire wiedergewählt.

Am 20. Mai hatte die 60-Jährige in sozialen Netzwerken geschrieben: »Wenn ich nur sechs Sitze verliere, dann verliere ich diese Wahl und (Labour-Chef) Jeremy Corbyn wird mit Europa am Verhandlungstisch sitzen.« Ex-Finanzminister George Osborne, der unter May 2016 seinen Posten verloren hatte, stellte als einer der ersten Mays Zukunft in Frage. »Wenn sie ein schlechteres Ergebnis als vor zwei Jahren hat und fast keine Regierung bilden kann, dann bezweifle ich, dass sie auf lange Sicht Parteichefin der Konservativen bleiben wird.« Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon bewertete Mays Ergebnis als Desaster.

Update 6.50 Uhr: Tories verfehlen laut BBC die absolute Mehrheit

Die konservative Partei von Premierministerin Theresa May hat nach Angaben der BBC die absolute Mehrheit im britischen Unterhaus verloren. Die Tories hatten am Freitagmorgen nach Auszählung fast aller 650 Wahlkreise dem Sender zufolge keine Chance mehr, die entscheidende Marke von 326 Sitzen zu knacken. Die Liberaldemokraten, die von 2010 bis 2015 mit dem konservativen Premier David Cameron regiert hatten, schlossen eine Koalition und einen »Deal« aus. May hatte die vorgezogene Wahl mit dem Ziel ausgerufen, die Regierungsmehrheit ihrer Partei im Unterhaus zu vergrößern und sich mehr Rückhalt für die Verhandlungen über den EU-Austritt zu schaffen. Damit steht Großbritannien kurz vor Beginn der Brexit-Verhandlungen eine komplizierte Regierungsbildung bevor - entweder gibt es eine Minderheitsregierung, eine Koalition oder gar eine weitere Neuwahl. Der Chef der EU-feindlichen UK Independence Party (Ukip), Paul Nuttall, schaffte den Einzug ins Parlament nicht. Der 40-Jährige wurde in seinem Wahlkreis nur Dritter.

Labour kann mit deutlichen Zugewinnen rechnen

London. Die konservative Partei von Großbritanniens Premierministerin Theresa May ist in der Unterhauswahl einer ersten Prognose zufolge stärkste Kraft geworden. Die Konservativen kommen den Nachwahlbefragungen zufolge auf 314 der 650 Unterhaussitze, wie die Sender BBC, Sky und ITV am Donnerstag berichteten. Damit würde May voraussichtlich eine zur Alleinregierung notwendige absolute Mehrheit verfehlen. Die wichtige Marke liegt bei 326 Sitzen. Die oppositionelle Labour-Partei von Parteichef Jeremy Corbyn gewann demnach 32 Sitze hinzu und käme demnach auf 266 Sitze.

Großer Verlierer des Abends dürfte dagegen die für Schottlands Unabhängigkeit kämpfende Partei SNP werden. Die Nationalpartei der Schotten mit ihrer Chefin Nicola Sturgeon kommt der Wählerbefragung zufolge nur noch auf 34 Sitze. Bei der vorangegangenen Wahl im Jahr 2015 hatte die SNP noch 56 von 59 möglichen Sitzen geholt. Die Partei stellt sich nur in Schottland zur Wahl. Die Liberaldemokraten können mir etwa 14 Mandaten rechnen.

Kommentatoren wiesen am Donnerstagabend aber darauf hin, dass diese Zahlen sehr ungenau sein könnten und eine absolute Mehrheit für die Tories noch möglich sei. 76 Sitze sind laut der Nachwahlbefragung »too close to call« – dort ist der Vorsprung der führenden Partei so klein, dass der Sitz als unentschieden gilt. Das heißt die Sitzeverteilung könnte sich im Laufe der Nacht noch deutlich ändern, weil auch Nachwahlbefragungen einen Fehlerbereich haben. Auch 2015 die Nachwahlbefragung den Tories lediglich 316 Sitze prognostiziert. Am Ende kam die Partei noch auf 330 Abgeordnete. In vielen anderen Jahren jedoch waren die Nachwahlbefragungen ziemlich genau. Das vorläufige Auszählungsergebnis wird erst für Freitagmorgen erwartet.

In einer ersten Reaktionen reagierten die Tories schwer enttäuscht. Der ehemalige Finanzminister George Osborne bezeichnete die Prognose als »komplett katastrophal« für May und ihre Konservativen. Die vorgezogene Neuwahl hatte die Premierministerin im April überraschend angekündigt mit dem Ziel, sich mehr Rückendeckung für die anstehenden Brexit-Verhandlungen zu holen. Zu diesem Zeitpunkt lagen ihre Konservativen in Umfragen noch deutlich vor Labour.

Umfragen hatten Mays Tories durchgehend vorn gesehen, allerdings war ihr Vorsprung vor Herausforderer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei in den vergangenen Wochen stark geschrumpft. Nach den Terroranschlägen in London und Manchester war May unter Druck geraten, weil in ihrer Amtszeit als Innenministerin Polizei-Stellen gestrichen worden waren. Auch Vorschläge zur Sozialpolitik waren bei den Briten nicht gut angekommen.

Sollten may und die Tories die absolute Mehrheit tatsächlich verfehlen, könnten sie versuchen, eine Koalition zu bilden oder eine Minderheitsregierung zu stellen. Eine Koalitionsregierung gab es in der britischen Nachkriegsgeschichte bislang jedoch erst einmal: 2015 schlossen sich die Tories unter Mays Amtsvorgänger David Cameron mit den Liberaldemokraten zusammen.

In Großbritannien üblicher ist dagegen eine Minderheitsregierung. Angesichts der bevorstehenden Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens wäre es allerdings riskant, wenn die Regierung sich wechselnde Mehrheiten suchen müsste.

Mit May als Premierministerin müsste sich die Europäische Union (EU) auf harte Brexit-Verhandlungen einstellen, die am 19. Juni beginnen sollen. Die Konservative betonte, Großbritannien werde die EU eher komplett ohne Einigung verlassen, als einen »schlechten Deal« zu akzeptieren. May hatte das Amt der Regierungschefin im vergangenen Jahr von David Cameron übernommen, nachdem eine knappe Mehrheit der Briten in einem Referendum für den Brexit gestimmt hatte. Agenturen/nd

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