Queere Steuerung durch alle Ressorts
Initiative für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt stellt Forderungen für Haushalt 2018/2019
Wo kann ein junger Homosexueller sicher leben, wenn er arbeitslos ist? Das Jobcenter zahlt ihm in der Regel keine Wohnung. Bis er 25 ist, soll er bei seinen Eltern unterkommen. Das aber ist nach dem Outing nicht immer möglich. Gleich ob ein Mensch lesbisch, schwul, bi-, transsexuell oder transgender ist, er sich als intersexuell oder queer (LSBTTIQ*) bezeichnet, soll er eine sichere Heimat in der Regenbogenhauptstadt Berlin finden. So steht es im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag.
Damit das so bleibt, hat die 2009 gegründete Initiative »Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt« (ISV) einen fünfzehnseitigen Programmentwurf entwickelt und am Donnerstagabend im Kreuzberger Aquarium am Südblock vorgestellt. Die queerpolitischen Sprecherinnen und Sprecher Melanie Kühnemann (SPD), Carsten Schatz (LINKE), Anja Kofbinger und Sebastian Walter (Grüne) diskutierten mit den rund vierzig Teilnehmern, wie strukturelle Diskriminierung und Ausgrenzung bei Verwaltungen, in Schulen und in Bürgerämtern abgebaut werden kann.
»Es ist uns wichtig, dass niemand in der Gesellschaft oder in der Verwaltung an der ISV vorbeikommt. Sie soll rechtlich verankert und gesellschaftlich umgesetzt werden«, sagt Carsten Schatz. Die Initiative fordert, die Einrichtungen der LSBTTIQ*-Verbände, -Organisationen und -Beratungsstellen stärker zu subventionieren. Lehrer sollen geschlechtersensibel ausgebildet und Themen wie Homosexualität in Lehrpläne aufgenommen werden. An Schulen sollen LSBTTIQ*-Personen Vertrauenspersonen erhalten.
»Wir wollen eine Steuerung quer durch die Ressorts«, sagt Melanie Kühnemann. »Die Senatsverwaltungen haben wir auf unserer Seite.« Die Idee der Initiative: Jede Senatsverwaltung benennt jeweils eine Ansprechperson, um die Umsetzung der im ISV-Programm geforderten Maßnahmen zu betreuen. Um Überschneidungen zu verhindern, soll es einen Steuerungskreis der Ansprechpersonen geben, der bei der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung angesiedelt ist.
Schon jetzt überschritten die Forderungen an den Doppelhaushalt 2018/2019 die zur Verfügung stehenden Gelder um etwa sechs Milliarden Euro, sagt Melanie Kühnemann. »Nichtsdestotrotz kämpfen wir darum, dass die Mittel bis zum Ende der Legislaturperiode verdoppelt werden. Bis 2010 waren wir bei einer Million. Jetzt sind wir bei zwei und vielleicht werden es vier.«
Carsten Schatz ergänzt, die Initiative wolle auf jeweils zwei Jahre ausgelegte Arbeitspläne entwickelt. Jährlich solle geprüft werden, »ob das, was wir fordern, auch umgesetzt wird - egal, ob im Bereich der Bildung, in den Verwaltungen oder in den Ämtern.«
In Kleingruppen werden schließlich weitere Vorschläge diskutiert. Melanie Kühnemann verspricht: »Alles, was ihr uns heute erzählt, wird in das Programm der ISV aufgenommen. Wir werden das bis zum 20. Juni in den Verwaltungen thematisieren und das neue ISV-Programm bis zum Haushaltbeschluss am 6. Juli einbringen.«
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