Linkspartei feiert: »Wir müssen brennen«

Gysi spricht von Meilenstein / Kipping: Müssen noch mehr fortschrittliche Kräfte sammeln / Lafontaine: Linke Politik hat ein Zentrum - die Eigentumsfrage

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Berlin. Frühere und aktuelle Parteichefs lassen die Linkspartei zum Zehnjährigen in der Berliner Volksbühne überwiegend nachdenklich hochleben. Parteichefin Katja Kipping sagte: »Unsere Partei bildet längst noch nicht alles ab, was in der Gesellschaft an fortschrittlichen Kräften vorliegt.« Die Linke könne also noch stärker werden.

Kipping nannte »das Versagen der Sozialdemokratie und die grünen Avancen an die Konservativen« eine Chance - dadurch würde ein großer Platz in der Parteienlandschaft frei. »Ein Platz, der noch unbesetzt und nach links offen ist. Jetzt ist es vielleicht an der Zeit zu sagen: Wagen wir den Schritt hin zu einer gesellschaftlichen Gerechtigkeitspartei, zur Partei der neuen linken Mehrheiten.« Die Parteichefin mahnte zudem dazu, nicht immer zu fragen, »was machen die anderen Parteien alles falsch, sondern vielmehr: wie werden wir größer, als wir sind?« Die Frage sei also, wie die Linkspartei aus dem 10-Prozent-Keller herauskomme. Kippings Antwort: »Dazu müssen wir uns öffnen und einladend sein. Eine verbindende Partei neuen Typs werden wir durch Vernetzen und Beteiligungsmöglichkeiten.« Man solle »nie vergessen, dass unser Wir noch längst nicht das Wir der vielen in der Gesellschaft ist. Wir können noch viel mehr werden, als wir gegenwärtig sind«, sagte Kipping. Die Partei solle nicht all ihre Energie auf das konzentrieren, »was in der Gegenwart zu betrauern ist, sondern richten wir den Blick auch nach vorn und trauen wir uns die Zukunft zu.«

Ex-Parteichef Gregor Gysi sagte: »Die Gründung der Linken war ein Meilenstein in der deutschen Geschichte.« Denn zuvor habe »militanter Antikommunismus« in Deutschland vorgeherrscht. Mit der Linken habe es Akzeptanz für eine Partei gegeben, »die eindeutig links von der Sozialdemokratie steht«.

Ex-Chef Oskar Lafontaine schlägt einen anderen Ton an – und die Gäste Jubeln. Der Saarländer hat von der Partei zum zehnten Geburtstag einen geschlossenem Kampf für eine andere Politik in Deutschland verlangt. »Wir müssen brennen für unsere Ideen, sonst kommt kein Zug in unsere Bewegung«, sagte Lafontaine am Freitagabend in Berlin. »Es gibt eine enorme Wechselstimmung für eine andere Politik - wir müssen die Adresse für diese Wechselstimmung werden.«

Am Ziel einer sozialen Neuausrichtung und einer Umverteilung des Eigentums in Deutschland dürfe die Linkspartei keine Abstriche machen. »Wir müssen glaubwürdig werden, so dass die Menschen uns zuwenden, sonst werden wir den Durchbruch nicht schaffen.« Lafontaine brachte die Zuhörer zum Jubeln. »Wir können uns auf dem nicht ausruhen, was wir erreicht haben«, sagte er. »Linke Politik ist die Auflehnung gegen die Machtstrukturen der Gesellschaft, linke Politik hat ein Zentrum, das ist die Eigentumsfrage.«

Am 16. Juni 2007 war die Linke in Berlin durch die Fusion der ostdeutschen Linkspartei und der westdeutschen Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) gegründet worden. Sahra Wagenknecht sagte, sie hoffe, dass die Partei in weiteren zehn Jahren in einer Position sei, in der andere Parteien fragen, »ob wir so nett sind, mit ihnen koalieren zu wollen«. Auf dem jüngsten Parteitag in Hannover hatte Wagenknecht den rot-rot-grün-kritischen Kurs der Linkspartei betont. So ein Bündnis hätte laut aktuellen Umfragen keine Mehrheit.

Derweil hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles von der SPD die Linkspartei aufgefordert, einer möglichen linken Mehrheit nach der Bundestagswahl nicht den Weg zu versperren. »Wir müssen uns in einer Welt, die viele Menschen als unsicherer empfinden, verantwortlich verhalten. Dazu fordere ich die Linkspartei auf«, sagte Nahles der »Berliner Zeitung«. »Eine linke Mehrheit in Deutschland lässt sich jedenfalls nicht organisieren, indem man die Augen vor den Tatsachen verschließt und aufeinander einhackt, nur weil man Angst vor dem eigenen Existenzverlust hat.«

Ihre eigene Partei rief Nahles trotz Umfragetiefs zu Optimismus auf. »Wenn man ausstrahlt, dass es einem wirklich um etwas geht, ist man auch glaubwürdig und erreicht die Wähler.« Die meisten Bürger träfen mittlerweile ihre Wahlentscheidung erst in den letzten zwei Wochen vor einer Wahl. »Es lohnt sich zu kämpfen.« Agenturen/nd

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