Niemand will den Lenin
Kein Gebot für monumentale Denkmäler bei Versteigerung in Gundelfingen / Sammlung eines Ex-Fabrikanten aus Schwaben
Berlin. Bei der Versteigerung von sechs monumentalen Denkmälern aus den früheren realsozialistischen Staaten hat sich im schwäbischen Gundelfingen kein Käufer gefunden. Bei der Auktion der überlebensgroßen Exponate gingen am Samstag keine Gebote ein. Ein paar Interessenten hatten die Auktion über einen Livestream im Internet mitverfolgt - vor Ort waren nur Journalisten und einige Schaulustige vertreten. Keiner wollte aber zu den vom Auktionator angesetzten Preisen mitbieten. Der Potsdamer Auktionator Frank Ehlert hatte mit Interessenten aus der ganzen Welt gerechnet. »Wir haben Anmeldungen unter anderem aus Russland und China«, sagt er im Vorfeld.
Das prominenteste Exponat ist ein Lenin-Monument, das zu DDR-Zeiten am Dresdner Hauptbahnhof stand und als »roter Bahnhofsvorsteher« bekannt war. Insgesamt wurden eine Büste und fünf Skulpturen kommunistischer Politgrößen angeboten, die Unternehmer Josef Kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nach Schwaben geholt hatte. In der Sammlung des früheren Eigentümers einer dortigen Natursteinfabrik war auch ein Ernst Thälmann.
»Es war sein Hobby«, erzählt der Sohn. Der Natursteinfabrikant aus dem kapitalistischen Westen plante nach dem Mauerfall eine Open-Air-Ausstellung mit den kommunistischen Kunstwerken. »Er wollte einen Skulpturenpark eröffnen, das hat sich dann zerschlagen«, erklärt der Sohn. In der Donaustadt Gundelfingen kam es nicht zu dem Projekt, und auch im oberpfälzischen Wackersdorf wurde es nicht umgesetzt. Das damalige Staatsunternehmen Bayernwerk, heute Teil des Energiekonzerns Eon, hatte sich überlegt, die Steinköpfe in einem geplanten Freizeitpark im Bereich der gescheiterten atomaren Wiederaufarbeitungsanlage aufzustellen. 1994 starb Kurz senior, und die Ausstellungsidee wurde zu den Akten gelegt. Einige Stücke aus der schwäbischen Sammlung zogen später ins Haus der Geschichte in Bonn um.
Kurz junior möchte sich nun von Stalin, Lenin und den anderen trennen und hofft auf Kaufinteressenten in der Nachkaufzeit innerhalb der nächsten vier Wochen. Die Versteigerung wurde insbesondere in Dresden aufmerksam verfolgt. Denn das prominenteste Exponat ist ein Lenin-Monument, das zu DDR-Zeiten am Hauptbahnhof stand und als »roter Bahnhofsvorsteher« bekannt war. Nach einer Initiative eines Linken-Stadtrats war kontrovers debattiert worden, ob die sächsische Landeshauptstadt das Monument zurückholen soll. Die Stadt machte aber klar, dass sie kein Geld für einen Ankauf des 80-Tonnen-Denkmals habe. Es sollte Berichten zufolge mindestens 150.000 Euro bei der Auktion bringen.
Aber selbst geschenkt wollte Dresden das Denkmal nicht uneingeschränkt zurücknehmen. Es müssten auf jeden Fall erst mögliche Folgekosten geprüft werden, ehe die zwölf Meter hohe Skulptur wieder in Sachsen aufgestellt werde, sagte Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch von der Linkspartei im Vorfeld der Auktion.
Die Lenin-Skulptur wurde einst von dem russischen Bildhauer Grigori Danilowitsch Jastrebenezki geschaffen und zum 25. Jahrestag der DDR-Gründung 1974 in Dresden aufgestellt. Unter den Hammer sollte auch ein 3,70 Meter großer Josef Stalin kommen - diese Sandstein-Statue war mit einem Startpreis von 58.000 Euro das zweitteuerste Objekt. Das 65 Jahre alte Denkmal stand einst in Zabreh im heutigen Tschechien. Agenturen/nd
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